Aktives Nichtstun

Christen reden davon, ihr Leben dem Herrn übergeben zu haben. Aber für wie lange? Für die nächsten fünf Minuten? Dann übernimmt wieder das eigene Ich das Ruder? – Wer es wirklich ernst meint, wird die Minuten, da man bereit ist, Gott wirken zu lassen, und in denen in der Regel nichts geschieht (keine Erleuchtung, keine Idee, was zu tun ist, kein Impuls), immer mehr ausdehnen. Denn dann, wenn man wirklich zur Ruhe kommt und nicht bereit ist, sich ablenken zu lassen, kann erst Gott wirken. Dann kommen Erinnerungen, Gedanken hoch, denen man aber nicht, oder wenigstens nicht zu lange, nachhängen sollte. Vor allem nicht, wenn sich die Gedanken und Erinnerungen nicht auf die Wahrheit beziehen.

Unser Herz ist unruhig, weil uns bewusst ist, dass wir in der Welt zum Heil unseres Leibes, der bedürftig ist, handeln müssen. Wir meinen, wir könnten nicht einfach dasitzen und die gebratenen Tauben würden uns in den Mund fliegen. Aber genau das sollten wir glauben, damit es wahr wird. Denn Jesus sagte: „Sorgt euch nicht…“ (Mt. 6,25 – 34; Luk. 12,22 – 30). Wer zu Ruhe und Frieden kommen, also das Himmelreich erfahren will, muss darauf vertrauen, dass Gott handelt, wenn wir nicht handeln. Aber Vertrauen, Glauben erlangt man nicht auf Befehl oder durch einen einfachen Willensentscheid. Man kann sich nicht einfach hinsetzen und sagen, jetzt mache ich mal nichts und werde mal sehen, was Gott für meine Mittagsmahlzeit tut. So funktioniert das nicht!

Wer wirklich vertraut, der spürt, dass er ruhig bleiben darf, weil Hilfe eintreten wird. Es geht nicht darum, dass wir kopfgesteuert irgendwelche Vorsätze fassen, die erfüllt werden sollen. Wir wissen ja überhaupt nicht, wessen wir wirklich bedürfen, noch wie sich irgendwelche Probleme lösen lassen. Der Kopf ist allerdings nicht um Antworten verlegen. Aber das ist alles oberflächlich, nicht wirklich lösend, erlösend. Programme sind immer schnell zur Hand: Wir müssen uns zusammenschließen zu Bibel und Bekenntnis, wir müssen mehr Hölle predigen, wir müssen…

Nein, das wichtigste ist, zu begreifen, dass wir ewige Wesen, ja das Leben im tiefsten Sinne selbst sind, und wir deshalb grundsätzlich keinen Mangel leiden. Ein Gott hat keinen Mangel. Das ist die Basis für das Denken und den Glauben eines Christen, die dadurch immer mehr zur Erfahrung wird. Wo aber kein Mangel ist, kann man zur Ruhe kommen. Ein solcher kann mit Laotse sagen: „Durch Nichtstun wird alles getan.“

Das ist für uns Abendländer schwer zu begreifen, weil wir auf Aktivität, auf Fleiß programmiert wurden. Der Calvinismus hat da, mit seiner Wertschätzung der Arbeit, viel Schaden angerichtet. Aber noch heute gibt es kontemplative Orden, die das Nichtstun pflegen. Aber möglicherweise ist das Leben in diesen zu sehr ritualisiert, sodass das Vertrauen ins Leben dadurch doch noch zu sehr behindert wird.

So wie eine Zelle unseres Körpers sicher sein kann, dass sie stets mit allem versorgt wird, was sie benötigt, sollten wir vertrauen lernen, dass alles uns stets zum Besten ist. Wozu, wenn das Leben selbst ununterbrochene Aktivität ist (wir müssen nichts tun, um den Blutkreislauf in Bewegung zu halten; automatisch atmen wir ein und aus), sollten wir an der Idee festhalten, wir kämen um, wenn wir nicht aktiv in diese Welt eingriffen?

Lasst uns Abstand gewinnen von uns selbst, damit wir sehen, was uns umtreibt, und wir durch die Liebe zum einzig wertvollen, dem Ewigen, dem Leben an sich, von unseren vermeintlichen Pflichten und unserer Flucht in vergnügliche Ablenkungen frei werden. Das Leben wird dann zu einem immerwährenden Fest.

4 Gedanken zu “Aktives Nichtstun

  1. Ja, das ist gut! Ein weiterer Aspekt der Geschäftigkeit ist auch, dass wir meinen, was wir tun wäre so unersetzlich wichtig…
    Gerade in diesen Tagen praktiziere ich Nichtstun, wann ich nur kann, aber… es ist ganz einfach, aber es ist nicht leicht. Ohne die Grundlage von Wissensklarheit und praktischer Erfahrung durch intensivere Kurse habe ich Zweifel, dass ich diese Haltung beständig einnehmen könnte.

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    1. Es freut mich, dass Du es tust. Ja, gewisse Klarheiten sind notwendig. Kurse sind sicher für die meisten Menschen hilfreich. Wir sind ja alle noch so weit vom wahren Leben entfernt…Ich wünsche Dir viel Durchhaltevermögen!

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  2. Wahre Worte; ich tue mich allerdings auch sehr schwer mit dem „Nichtstun“ bzw. „Still sein“. Wenn ich das versuche, werde ich über kurz oder lang schläfrig… 😦

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