Was bedeutet es, „im Geist zu wandeln“?

Die Heiligung ist für das Christenleben von existentieller Bedeutung. Das ist, wie mir immer wieder deutlich wird, überhaupt nicht bekannt. Man meint, es genüge doch, an Jesus Christus als Erlöser zu glauben. Aber was ist denn dieser Glaube? Ist es, wie man meint, das, was in der Bibel steht, für wahr zu halten? Das ist dann nur eine Kopfsache und nichts, das das Leben grundlegend verändert.

Heiligung ist der praktische Vollzug des Glaubens, es ist das tagtägliche Wandeln im Geist, das Beten ohne Unterlass (1. Thess. 5,17).

Durch die Wiedergeburt bin ich potentiell heilig (Kol. 3,12; Eph. 1,1) und vollkommen (Kol. 2,10; 2.Kor. 13,11). Aber das alles hat für mich keinen wahren Nutzen, wenn es nicht auch zur Erfahrung wird. Es ist wie ein Samenkorn, das aufgehen und wachsen muss (Mt. 7,17). Das geschieht auf dem Weg des Lebens (Jo. 14,6), dem Weg der Heiligung.

Heiligung bedeutet also mein Leben mit dem, was ich wirklich als wiedergeborener Mensch bin, nämlich ein ewiges, unverletzbares, glückliches Wesen, in Einklang zu bringen. Es ist damit die allmähliche, d.h. fortschreitende Überwindung der „fleischlichen“ Natur, also dessen, was ich durch meine natürliche Geburt, die Erziehung usw. geworden bin: „Wandelt im Geist, und ihr werdet die Begierde des Fleisches nicht erfüllen.“ Gal. 5,16

Das „Fleisch“ ist also das, was aus dem Gleichnis und Ebenbild Gottes durch den Sündenfall geworden ist: Ein Wesen, das dem Leid unterliegt, weil es sich selbst als vergänglich betrachtet und deshalb das Vergängliche, d.h. die Dinge dieser Welt begehrt.

Man muss also dieses Begehren, d.h. die Welt, überwinden, um wirklich heil zu werden.

Die Motivation dazu finden wir in der ständigen Besinnung darauf, dass ein leidfreies Leben möglich ist und nur durch die Überwindung zu erreichen ist.

Im Nachhinein bin ich froh, dass ich durch innere Notwendigkeit bereits im Alter von 21 Jahren dazu „gezwungen“ wurde, weil mein Leben durch meine psychischen Probleme unerträglich geworden war. Froh und dankbar bin ich heute auch dafür, keine ärztliche oder psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen zu haben. Seit Jahrzehnten, da ich ein glücklicher Mensch bin, kann ich sagen, ich habe den Segen der Heiligung erfahren! It works!

Das heißt aber nicht, dass es damit vorbei ist. Im Grunde sollte Heiligung wie das natürliche Wachstum einer Pflanze sein. Sie wird kontinuierlich immer größer. Nicht außerhalb von mir, nicht in dem, was die Welt bietet, finde ich Genesung von allem Leid, sondern allein in mir. In mir, in meinem Körper kann ich mich ständig immer wohler fühlen.

Ich bin eine Eisscholle,

aber in Wahrheit der Ozean, auf dem sie schwimmt. Was will ich mit diesem Gleichnis sagen? Eine Eisscholle ist nichts anderes als gefrorenes Wasser, aber sie ist im Gegensatz zu ihm fest, hat eine bestimmte Kontur, eckt an andere Eisschollen an, wird auch durch sie in eine andere Position gedrängt, wie sie das mit den ihr Begegnenden auch tut.
Ersetzen wir nun das Wort „Eisscholle“ in ihrer ganz bestimmten Kontur durch das Wort „Charakter“ und schon haben wir die Verbindung zu uns selbst geschaffen. Seit dem sogenannten „Sündenfall“ sind wir Menschen „gefroren“, d.h. sind wir zu Menschen mit einem bestimmten Charakter geworden und „schwimmen“ nun mit unseren Mitmenschen auf dem „Wasser“,was zu Zusammenstößen und Konflikten führt.


Natürlich kann man ein Gleichnis nicht unendlich auswalzen; es macht nur etwas bestimmtes anschaulich. Wenn wir frei und glücklich werden wollen, so sagt das Bild, müssen wir uns zu Wasser auflösen, wir müssen „schmelzen“. Damit Eis schmilzt, muss es warm werden, muss die Sonne darauf scheinen. Das Eis kann nicht in seinem gegenwärtigen Zustand, den es hat, sich sagen, „ich schmelze“. Aber scheint die Sonne und es wird warm, geschieht es ganz von selbst. Setzen wir nun anstelle des Begriffes „Sonne“ den Begriff „höheres Bewußtsein“ oder „Bewusstsein der Wahrheit“, dann kann durch die Liebe zur Wahrheit(= Wärme) unser von Gott getrenntes Wesen völlig aufgelöst und mit Gott ( dem „Ozean“) eins werden.
In der Vereinigung mit ihm, im Eins-geworden-Sein, liegt die völlig zu erfahrende Befreiung von allem Übel, liegt die volle Glückseligkeit. Solange aber immer noch etwas vom „Eis“ vorhanden ist, ist unser wahres Wesen, nämlich „fließendes Wasser“ noch nicht völlig erlebbar. Da nützt es auch nichts, wenn die Eisscholle in eine völlig andere Gegend kommt, wie wir etwa durch den physischen Tod. Dieser Tod bringt uns nicht zum „Schmelzen“ und ins „Himmelreich“, sondern ist noch Folge unserer Sündhaftigkeit. Denn die Ursünde brachte auch den physischen Tod. Nur das völlige Absterben unseres Egos bringt uns der Erlösung näher.
Es geht also, wie wir an diesem Gleichnis gesehen haben, und wie es auch Bestandteil der Kirchenlehre ist – allerdings wird darüber kaum gesprochen -,um unsere „Theosis“, unsere Gottwerdung, wie der Begriff sagt.
Als Christen nennen wir zwar Gott „Vater“, aber das verstehen wir leider ganz anders als es die Juden zu Jesu Zeit verstanden. Die wollten nämlich Jesus Christus nicht nur töten, weil er den Sabbath brach, sondern vor allem, weil er Gott seinen Vater nannte. Dadurch mache er sich Gott gleich (Joh 5,18), erkannten sie folgerichtig. Und Jesus konterte nicht, mit „nein, so ist es nicht gemeint“, sondern mit Psalm 82,6 “Ich habe gesagt: Ihr seid Götter”.
Auch Paulus bescheinigt den Griechen, dass sie (und alle Menschen) in Wahrheit Götter sind: “Da wir nun Gottes Geschlecht sind…” (Apg. 17,29).
Der Kirchenvater Augustinus fragt „Wenn die Seele etwas liebt, wird sie ihm gleich; wenn sie weltliche Dinge liebt, wird sie weltlich, aber wenn sie Gott lieben sollte (so muss man fragen), wird sie dann nicht zu Gott?“
Heute weisen das die meisten Christen entrüstet ab. Sie betonen immer wieder ihre Sündhaftigkeit. Ja, sie sehen in einer solchen Aussage sogar die “Verführung der Schlange”, wie sie schon in der Genesis geschildert wurde. Das alles aber ist nichts anderes als undifferenziertes, oberflächliches Denken der heutigen Christen.


Irenäus (* um135; † um 200) schreibt: „Der Mensch schreitet allmählich vorwärts und erhebt sich zur Vollkommenheit. Das heißt, er nähert sich dem Ewigen. Das Ewige ist vollkommen, und das ist Gott. Der Mensch muss zuerst ins Dasein treten, dann Fortschritt machen, und durch den Fortschritt erreicht er Menschlichkeit, hat er die Menschlichkeit erreicht, so muss er zunehmen und zunehmend ausharren und ausharrend verherrlicht werden und so seinen Herrn sehen.” Athanasius (293-373), Bischof von Alexandria, stellt in seiner berühmten Schrift Über die Inkarnation des Wortes fest, dass Christus „ein Mensch wurde, damit wir göttlich gemacht werden können.“ Der heilig gesprochene Symeon aus dem 10. Jahrhundert sagt, „Er, der Gott ist, spricht mit denen, die er durch Gnade zu Göttern gemacht hat, so wie ein Freund mit einem Freund spricht, von Angesicht zu Angesicht.” Um es kurz zu machen: “Gott wurde Mensch, damit wir Gott werden können, war ein Gemeinplatz in den Lehren der Theologie.” (William R. Inge, Christian Mysticism. H.v.mir)
Selbst Luther hat diese Lehre noch aufgenommen und schreibt, “der Mensch mit Gnaden beholfen ist mehr als ein Mensch. Ja die Gnade Gottes macht ihn gottförmig und vergöttlicht ihn.” (WA. 2.248.1). “Deshalb wird Gott Mensch, damit der Mensch Gott werde. (WA.5, 167, 40) “Christus und der Glaubende werden ‚wie eine Person‘ “ (WA. 40,1, 285) “Der Glaubende ist ein göttlicher Mensch (homo divinus)” (WA 40.1.390).
Belassen wir es an dieser Auswahl, die noch um viele Zitate vermehrt werden könnte und bringen wir uns zu Bewusstsein, dass alles das falsche Lehre ist, die einen einfacheren Weg der Erlösung lehrt. Es gibt keine billige Gnade, die uns nach dem physischen Tod die Erlösung bringt.

Charismatisch, evangelikal und katholisch


Sandler, Willibald. Charismatisch, evangelikal und katholisch
Verlag Herder, 2021, 360 S., 28,- €

Die Symbiose von evangelikal und katholisch im Titel weckte meine Neugier. Passt denn das zusammen? Wie kann man als katholischer Christ evangelikal sein? Natürlich wird sich kein Katholik als evangelikal bezeichnen, sondern hier handelt es sich um eine Zuschreibung des Autors, um das Gemeinsame einer immer mehr über-, ja postkonfessionellen Praxis zu beschreiben. Diese ist von gefühls- und erwartungsorientierter Frömmigkeit geprägt, wie wir sie besonders aus der Pfingst- und der charismatischen Bewegung kennen und die sich damit vom Traditionalismus und progressiven Katholizismus unterscheidet.

Das Buch, verfasst von einem katholischen Theologen, der selbst bekennender Charismatiker ist, gibt im Kern einen guten Überblick über die evangelischen Erweckungsbewegungen, beginnend mit Graf Zinzendorf und den Herrnhutern bis zum „Mission Manifest“ des Augsburger Gebetshauses unter der Leitung von Johannes Hartl.

Zunehmend sehen viele Bischöfe und Pastoralverantwortliche in diesen Bewegungen und Initiativen die Zukunft der Katholischen Kirche, andere darin ihren Niedergang.

Es geht deshalb dem Autor darum, Brücken zu bauen und Dialog zu ermöglichen. Auch möchte er Hilfe zur Unterscheidung der Geister bieten.

Während er Potentiale in der lebendigen Frömmigkeit und der Erwartungshaltung sieht, die anziehend auf andere Menschen wirke, sieht er eine Gefahr in der „Geschichtsvergessenheit und Theologieverweigerung“ dieser Strömungen.

Damit ist andererseits klar, dass unreflektiertes Erleben Glauben an der Oberfläche bleiben lässt, wo doch nur Tiefe der Erkenntnis einer naturwissenschaftlich geschulten Wissensgesellschaft Paroli bieten kann. Eine Festigung im Glauben muss, wo die Erwartungen enttäuscht werden, ausbleiben. Das kann dann dazu führen, dass der Glaube gänzlich verworfen wird.

Heute benötigt man Verständnis für übersinnliche Wirkzusammenhänge.

Es bleibt dahingestellt, ob sich unter diesen Umständen Hoffnungen auf eine Neu-Missionierung Europas erfüllen können.

Mir bietet das Buch zu wenig Kritik, was ich zwar angesichts einer exoterisch bleibenden Theologie verstehen kann, aber ist es wirklich so schwierig, eine „geistliche Kriegsführung“ à la Peter Wagner als das, was es ist, nämlich Unsinn, zu bezeichnen? Der geistliche Kampf – wie ihn die Bibel versteht – richtet sich nicht gegen „Territorien“, sondern gegen die falschen Überzeugungen der Menschen. Auch die Dämonenaustreibungen sind ein Anachronismus, der als solcher benannt werden muss.

Das Buch kann nur der Anfang einer gründlichen Auseinandersetzung sein.

Das Wesen erfasst…

Manchmal habe ich den Eindruck, dass viele, die, obwohl sie häufig in der Bibel lesen, doch das Wesen des christlichen Glaubens nicht erfassen. Um so mehr erstaunte mich der Text eines Menschen, von dem man kaum erwartet hätte, etwas Sinnvolles über den christlichen Glauben zu lesen. Aber so kann man sich täuschen!

Es handelt sich um Oscar Wilde (* 16. Oktober 1854 in Dublin; † 30. November 1900 in Paris). Unkommentiert nun der Text aus seinem Essay „Der Sozialismus und die Seele des Menschen“:

„Die wahre Vollkommenheit des Menschen liegt nicht in dem, was er hat, sondern in dem, was er ist.

Sie wird etwas Wunderbares sein – die eigentliche Persönlichkeit des Menschen – wenn sie sich uns zeigen wird. Sie wird in natürlicher und einfacher Art wachsen, wie eine Blume, oder wie ein Baum wächst. Sie wird nicht im Streit liegen. Sie wird nie argumentieren oder disputieren. Sie wird nichts in der Welt beweisen. Sie wird alles wissen. Und doch keinen Wissenschaftsbetrieb kennen. Sie wird weise sein. Ihr Wert wird nicht mit materiellen Dingen messbar sein. Sie wird nichts haben. Und wird doch alles haben, und soviel man ihr auch nimmt, sie hat noch immer, so reich ist sie. Sie wird sich nicht immer um andere kümmern oder von ihnen verlangen, sie sollten ebenso sein wie sie selbst. Sie wird sie lieben, weil sie anders sind. Und doch, während sie sich um andere nicht kümmert, wird sie allen helfen, wie etwas Schönes uns hilft, indem es ist, wie es ist. Die Persönlichkeit des Menschen wird sehr wundervoll sein. Sie wird so wundervoll sein, wie die Persönlichkeit eines Kindes.

Denn sie wird sich nicht um Vergangenes zerreissen und wird sich’s nicht kümmern lassen, ob sich etwas ereignet hat oder nicht ereignet hat. Auch wird sie keine Gesetze anerkennen als ihre eigenen und keine Autorität als ihre eigene. Doch lieben wird sie die, die ihre Mächtigkeit vorbereitet haben, und wird oft von ihnen sprechen. Und derer einer war Christus.

»Erkenne dich selbst,« stand über dem Portal der antiken Welt zu lesen. Ueber dem Portal der neuen Welt wird stehen: »Sei du selbst.« Und die Botschaft Christi an den Menschen lautete einfach: »Sei du selbst.« Das ist das Geheimnis Christi.

Was Jesus gemeint hat, ist folgendes. Er sagte dem Menschen: »Du hast eine wundervolle Persönlichkeit. Bilde sie aus. Sei du selbst. Wähne nicht, deine Vollkommenheit liege darin, äussere Dinge aufzuhäufen oder zu besitzen. Deine Vollkommenheit ist in dir. Wenn du die nur verwirklichen könntest, dann brauchtest du nicht reich zu sein. Der gemeine Reichtum kann einem Menschen gestohlen werden. Der wirkliche Reichtum nicht. In der Schatzkammer deiner Seele gibt es unendlich wertvolle Dinge, die dir nicht genommen werden können. Und also, suche dein Leben so zu gestalten, dass äussere Dinge dich nicht kränken können. Und suche auch das persönliche Eigentum loszuwerden. Es führt niedriges Gebaren, endlose Angst, ewiges Unrecht mit sich. Persönliches Eigentum hemmt die Individualität bei jedem Schritt.«

Jesus also sagt, dass der Mensch seine Vollendung erreicht: nicht durch das, was er hat, nicht einmal durch das, was er tut, sondern ganz und gar durch das, was er ist. Daher also ist der reiche Jüngling, der zu Jesus kommt, als durchaus guter Bürger hingestellt, der kein Staatsgesetz, kein Gebot seiner Religion verletzt hat. Er ist ganz respektabel, im gewöhnlichen Sinn dieses ungewöhnlichen Wortes. Jesus sagt zu ihm: »Du solltest das Privateigentum aufgeben. Es hindert dich an der Verwirklichung deiner Vollkommenheit. Es ist eine Fessel für dich. Es ist eine Last. Deine Persönlichkeit braucht es nicht. In dir selbst, nicht draussen findest du, was du wirklich bist und was du wirklich brauchst.« Seinen Jüngern sagt er dasselbe. Er fordert sie auf, sie selbst zu sein und sich nicht immer um andere Dinge zu ängstigen. Was bedeuten andere Dinge? Der Mensch ist in sich vollendet. Wenn sie in die Welt gehen, wird die Welt sich ihnen widersetzen. Das ist unvermeidlich. Die Welt hasst die Individualität. Aber das soll sie nicht kümmern. Sie sollen still und in sich gekehrt sein. Wenn jemand ihnen den Mantel nimmt, sollen sie ihm den Rock noch dazu geben, eben um zu zeigen, dass materielle Dinge keine Bedeutung haben. Wenn die Leute sie beschimpfen, sollen sie nicht antworten. Was liegt daran? Was die Leute von einem Menschen sagen, ändert den Menschen nicht. Er ist, was er ist. Die öffentliche Meinung hat keinerlei Wert. Selbst wenn die Leute Gewalt anwenden, sollen sie sich nicht zur Wehr setzen. Damit sänken sie auf dieselbe niedrige Stufe. Und schliesslich kann ein Mensch selbst im Gefängnis völlig frei sein. Seine Seele kann frei sein. Seine Persönlichkeit kann unbekümmert sein. Friede kann in ihm sein. Und vor allem sollen sie sich nicht in andrer Leute Sachen einmischen oder sie irgendwie richten. Um die Persönlichkeit ist es etwas sehr Geheimnisvolles. Ein Mensch kann nicht immer nach dem, was er tut, beurteilt werden. Er kann das Gesetz halten und doch nichtswürdig sein. Er kann das Gesetz brechen und doch edel sein. Er kann schlecht sein, ohne je etwas Schlechtes zu tun. Er kann eine Sünde gegen die Gesellschaft begehen, und doch durch diese Sünde seine wahre Vollkommenheit erreichen.

Es war da eine Frau, die beim Ehebruch ergriffen worden war. Man berichtet uns nichts über die Geschichte ihrer Liebe, aber diese Liebe muss sehr gross gewesen sein; denn Jesus sagte, ihre Sünden seien ihr vergeben, nicht weil sie bereute, sondern weil ihre Liebe so stark und wunderbar war. Später, kurze Zeit vor seinem Tode, als er beim Mahle sass, kam das Weib herein und goss kostbare Wohlgerüche auf sein Haar. Seine Jünger wollten sie davon abhalten und sagten, es sei eine Verschwendung, und das Geld, das dieses köstliche Wasser wert sei, hätte mögen für wohltätige Zwecke, für arme Leute oder dergleichen verwendet werden. Jesus trat dem nicht bei. Er betonte, die leiblichen Bedürfnisse des Menschen seien gross und immerwährend, aber die geistigen Bedürfnisse seien noch grösser, und in einem einzigen göttlichen Moment, in einer Ausdrucksform, die sie selbst bestimmt, könne eine Persönlichkeit ihre Vollkommenheit erlangen “

Teil zwei folgt.

Phänomen Nahtod

Meili
Walter Meili, Phänomen Nahtod – Faszinierende Entdeckungen eines Psychiaters – S. 272, Paperback 15,95 €, e-book 11,99 €, SCM Hänsler, Holzgerlingen 2016

Das Buch ist bereits 2016 erschienen. Leider bin ich erst jetzt auf dieses aufmerksam geworden, was in Bezug auf mich selbst nicht so schlimm ist, da ich bereits einige Bücher über das Thema kenne, aber bedauerlich, da ich es deshalb nicht früher rezensieren konnte. Denn dieses Buch ist ein „Muss“ für Jedermann! Besonders aber für Christen und jeden Theologen! Also unbedingt kaufen!

Ich bin erstaunt und erfreut, dass ein solches Buch in einem renommierten evangelikalen Verlag erscheinen konnte. Denn eine große Offenheit für Nahtodphänomene schien mir bisher unter sogenannten Bibelgläubigen nicht vorhanden zu sein. Doch spricht Gott nicht gerade durch die Realität besonders eindrücklich zu uns? Viel deutlicher als es in Worten geschehen kann?

Die biblischen Texte sind wesentlich Geschehnisse, Berichte davon, wie Menschen in vergangener Zeit Gott erlebt haben. Heute erleben ihn viele Menschen durch Nahtoderlebnisse. Selbst hartgesottene Atheisten wurden durch sie gewandelt. Auch der Autor selbst fand durch solche Berichte zum Glauben. Das zeigt die evangelistische Kraft solcher Erfahrungen. Deshalb meine ich auch, eignet sich dieses Buch sehr gut zum Weitergeben an andere.

Um gleich einem vielfach geäussertem Einwand gegenüber zu treten: Nahtoderlebnisse sind wirkliche Todeserlebnisse. Sie beweisen die Unsterblichkeit der menschlichen Seele und geben einen wirklichen Einblick in das jenseitige Leben, wenn auch nur für einen Zeitabschnitt.

Ein Mensch ohne Hirnaktivität (also das EEG zeigt eine Nulllinie) könnte unmöglich Erlebnisse haben, Erfahrungen machen und diese auch noch deuten. Und doch geschieht in der Abwesenheit vom menschlichen Hirn genau das!

Meilis Buch geht auf alle relevanten Aspekte der Nahtoderlebnisse ein. Er zitiert nicht nur ausführlich direkte Erfahrungsberichte, sondern kontextualisiert sie durch Schauungen, wie sie zum Beispielt Sadhu Sundar Singh hatte, oder die Erlebnisse Angehöriger, die hellsichtig das Austreten der Seele bei Sterbenden schauten oder das Erscheinen Verstorbener erlebten. Dieser Blick von mehreren Seiten offenbart, dass sich tatsächlich die Seele vom Körper löst und als solche weiterexistiert, es sich hier wirklich um ein reales übersinnliches Geschehen handelt und nicht etwa um irgendwelche Täuschungen.

Das gibt den Erfahrungen ein besonderes Gewicht. Wer deshalb mehr Klarheit über Fragen des christlichen Glaubens haben möchte – und nur so ist verantwortlicher Glaube möglich – kann als Christ und Theologe unmöglich an Nahtoderfahrungen und verwandten Phänomenen vorübergehen. Um so unverständlicher ist das bisherige Desinteresse von Theologie und Kirche an diesen, das aber, nach dem im Buch zitierten Theologen W. Schweer, „ nicht einem sachkundigen fundierten Urteil, sondern einer eigenartigen Vorentscheidung… bestand, sich einerseits dem wissenschaftlichen Mainstream unserer Zeit folgsam anzuschließen, andererseits zugleich die unvergleichliche Wahrheit der biblischen Offenbarung zu behaupten.“

Dabei verschloss man „die Augen vor den unausbleiblichen Reibungspunkten zwischen diesen beiden Positionen. Es ist eine Einstellung, die allen sonstigen transzendenten Erfahrungen mit ablehnender Skepsis begegnet, aber die entsprechenden biblischen Erfahrungen davon ausnimmt.“ (S. 342)

Was wir deshalb brauchen, ist eine ›visionäre‹ Theologie, deren Aufgabe nach Worten des evangelisch-reformierte Pfarrers Felix Gietenbruch darin besteht, „Theologie aus einer Phänomenologie religiöser Erfahrung zu betreiben – und zwar nicht nur darum, weil dies der ursprüngliche Weg der Theologie selbst ist (anders kann sie nämlich gar nicht von Gott reden), sondern v. a. auch im Hinblick auf die fragenden Menschen, die nach einer Wahrheit suchen, die mehr als vom Zeitgeist bedingt ist.“ (S. 241)

Wenn wir eine solche Theologie haben werden, wird es auch möglich sein, den Menschen unserer Zeit fundierte Antworten auf brennende Fragen zu geben.

Meili betont: „Unser Glaube sollte begründet sein“ und erläutert, „der Glaube muss sich »gründen« – auf inneres Erleben, aber auch auf verstandesmäßige Auseinandersetzung mit der Transzendenz. Für beides können Berichte über Nahtodphänomene Unterstützung bieten.“ (S. 237)

„Ähnlich sieht es Robert L. Wise, der als evangelikaler Theologe selbstverständlich größten Wert darauf legt, mit seinem Buch »von Anfang bis Ende mit der Bibel in Einklang zu bleiben«. Er kommt zum Schluss: ‚Nach langem Forschen und Studieren bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass diese Geschichten [also die Sterbebettvisionen, Nachtodkontakte, Nahtoderfahrungen und andere Transzendenzerfahrungen, die er in seinem Buch bezeugt, Anm. d. V.*], die Menschen von jenseits des Lebens mitgebracht haben, die Bibel bestätigen und unser Verständnis für Gottes Wort vertiefen können.’“ (S. 237)

Das Buch ist leicht zu lesen und stellt deshalb außer einem offenen Geist keine weiteren Anforderungen an den Leser. Zugleich eine Lektion in lebendiger Theologie.

Lassen Sie sich packen von den faszinierenden Schilderungen einer Realität, die jeden Menschen angeht!

* Meili

Von der Freude, sich heiligen zu können

Wie froh und dankbar bin ich doch, dass ich mich in all den Jahrzehnten meines Christseins in der Wahrheit heiligen (Joh. 17,17) konnte. Was für eine Befreiung! Was für ein Glück! Was für eine Freude!

Heiligung ist keine Last, sondern eine Entlastung des Daseins (Mt. 11,30). Das Dasein stellt uns vor „eiserne“ Notwendigkeiten und ist damit für einen jeden Menschen fordernd. Das fängt damit an, dass wir als Kind den Eltern gehorsam sein sollen. Es setzt sich fort mit den Anforderungen der Schule und mündet in den sogenannten „Ernst des Lebens“. Nun ist unser Leben hauptsächlich von Mühe und Arbeit gekennzeichnet. Hinzu kommen nicht selten diese oder jene Sorgen. Das alles macht uns mehr oder weniger krank.

Und dahinein schallt der Ruf von der Erlösung, von der Möglichkeit eines immer sorgloseren Lebens (Mt. 6,25)! Von der Möglichkeit, die Kindheit (Mt. 18,7), die Gesundheit zurück zu erlangen. Was für eine Chance!

Ein solches Leben ist aller Mühe wert! Was sind dagegen die „Schätze“ dieser Welt? Was Karriere, Eigenheim, Status, Wohlstand, für die sich die unwissenden Menschen plagen? – Aber in der Heiligung wirke ich nicht für vergängliche Werte, sondern schaffe nicht nur für die Gegenwart und nahe Zukunft, sondern für alle Zeiten Bleibendes (Mt. 6,20)!

Weshalb sollten wir denn immer nur zu Nichtigem, zu Unsinn fähig sein? Weshalb sollte es uns nicht vergönnt sein, Gutes, Heilsames zu tun? Dazu sind wir doch geschaffen (Eph. 2,10)!

Nur sinnvolles Tun befriedigt. Alles andere zerstört die menschliche Seele und den Leib! Ich habe es selbst in meiner Jugend erfahren, wie zerstörend Sinnlosigkeit und Hoffnungslosigkeit sind! Wie sie geradewegs in die Hölle führen…

Mit vierzehn Jahren erlebte ich den Schock meines Lebens! Plötzlich war alles zu Ende! Noch sieben Jahre etwa hätte ich zu leben unter der Last einer unheilbaren und ansteckenden Krankheit!

Was für eine Qual! Keine Liebe…, – zu der das Sehnen in diesem Alter aufbricht! Wie ertragen, unter Menschen zu sein mit diesem „Wissen“? Mein Schreien zu Gott – vergeblich! Ich konnte nur verdrängen…Diese „Wahrheit“ vergessen. Aber das funktioniert natürlich nicht. Verdrängtes kommt auf andere Weise wieder ans Licht. Und so hatte ich bald einen „Engel“, der mich immer dann mit „Fäusten“ schlug, wenn es mir am wenigsten passte! Dann die Nötigung in einen Beruf, den ich mir beileibe nicht ausgesucht hätte! Was soll dieses sinnlose, verfluchte Leben?!!! Die Depressionen wuchsen. Aber immer noch hatte ich Kraft, mich zu verlieben. Damit kam neuer Kummer. Ich war am Ende! Genau nach sieben Jahren! – Doch statt des physischen Todes kam der Neuanfang! Aber ich war ein seelisches Wrack!

Schnelle Lösungen gab es auch jetzt nicht. Ich baute mich auf durch Bibelstudium, durch wachsende Erkenntnis der Wahrheit. Nur so konnte ich die Schatten der Vergangenheit allmählich überwinden. Hätte ich diese Möglichkeit nicht gehabt, so hätte der Neuanfang schnell geendet.

Dass ich heute noch lebe, und zwar glücklich, habe ich der Heiligung zu verdanken. „Was, dieser fröhliche Mensch soll Depressionen gehabt haben?“ staunte eine Dame als ich auf einer Freizeit meine Geschichte erzählte. Der, der sich nicht mehr aus dem Haus traute, bereiste mit dem Rucksack die Welt! Der stumpfsinnig Gewordene, wurde zum begeistert Interessierten!

Mein Fazit:

Heiligung bringt das Himmelreich ins persönliche Dasein.

Heiligung lässt uns teilhaben an der Leichtigkeit des Seins.

Übung macht den Meister

Im Januar 1982 hatte ich eine Traumvision: In einer Wüste wanderten schwarzgewandete Menschen aufwärts mit einem Stab, wie ihn Hirten haben, und auf dem Kopf trugen sie einen schwarzen Melonenhut. Rechts im Traumbild standen in numerischer Abfolge die einzelnen Etappen untereinander aufgeführt, deren Inhalte ich aber wegen der Schnelle des Geschehens nicht lesen konnte. Dann sah ich links unten ganz deutlich die Ziffer 9 und daneben den Satz „Erlösung durch Sport.“ Dazu tanzte im Rhythmus ein Stockschirm, und ihm entsprechend ein Mann.

Ich begriff, dass es zum Fruchtbringen (9 ist die Zahl des Fruchtbringens) nötig sei, wie die Sportler immer wieder freiwillig, also aus eigenem Wollen (und nicht weil man muss), im rhythmischen Wechsel bestimmte Glaubensinhalte zu üben.

Zum Üben, das wissen die wenigsten Christen, fordert uns auch die Bibel explizit auf. In 1. Tim. 4,7 heißt es: „ übe dich aber zur Gottseligkeit“. Da steht das griechische Wort γυμνάζω (gymnázo), von dem das Wort Gymnastik abgeleitet ist.

Im evangelischen Glauben kommt man, wenn man etwas übt, sofort in den Verdacht, durch Werke gerecht werden zu wollen. Falls man da überhaupt etwas tut, außer Predigen, dann aus Dankbarkeit oder Liebe zu Gott. Die Werke, die man da tut, sind Werke der Nächstenliebe, also nichts Innerseelisches! Doch gerade das innerseelische Tun ist eminent notwendig, um das Ziel des Glaubens zu erreichen. Paulus schreibt 1. Kor 9,24: „Wisst ihr nicht: Die im Stadion laufen, die laufen alle, aber nur einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt.“

Stattdessen hört man immer wieder, aus eigener Kraft können wir nichts tun. Und so überlässt man sich den fleischlichen Mächten.

Aber wer sagt denn, dass wir etwas aus eigener Kraft tun sollen? Nein, aus der Kraft Gottes, um die wir nicht bitten müssen, sondern die uns unablässig zur Verfügung steht, können wir aktiv an unserer Wandlung arbeiten.

Die Kraft Gottes ist aber keine besondere, keine magische Kraft, sondern die Kraft der Wahrheit!

Das Leben ist unablässig tätig. Ohne Pause schlägt das Herz, atmen wir ein und aus. Unablässig sind auch unsere Seeleninhalte in Bewegung. Das sehen wir an unseren Träumen, die aber auch im Tiefschlaf vorhanden sind (nur nehmen wir sie da nicht wahr). Was wir gewohnheitsmässig denken, beinflusst unser Gefühlsleben. Dieses wirkt wiederum zurück auf das Denken, und beides bewirkt unser Handeln. Statt also weiter das Falsche, können wir doch lieber das Richtige tun. Denn unsere Gedanken steuern die Lebenskraft.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir die Wahrheit erkennen (Joh. 8,32) und ihr gemäss zu denken üben.

Wer bin ich, wenn ich wiedergeboren bin? – Bin ich dann noch der Mensch, der ich vorher war?

Wenn ich wiedergeboren bin, dann habe ich doch eine neue Identität und dann ist es falsch (also nicht der Wahrheit gemäss), sich weiterhin mit dem zu identifizieren, der ich durch die natürliche Geburt geworden bin.

Ich darf mich jetzt – wenn ich in der Wahrheit bleiben will – nicht mehr als ein vergängliches Wesen ansehen, das unauflöslich von der geschaffenen Welt und ihren Inhalten abhängig ist, sondern ich muss von mir als einem ewigen Wesen denken, das grundsätzlich absolut frei ist und Herrschaft über alles Geschaffene hat.

Nur so ergibt der Begriff „Kind Gottes“ einen Sinn. Ein Kind, das natürlich sich seiner selbst noch nicht so recht bewusst ist, deshalb sein wahres Wesen noch nicht erlebt und seine Kräfte ausleben kann, soll aber erwachsen werden. In Eph. 4,13 ist von der „vollen Mannesreife“ , der vollen Reife Christi“ die Rede, die wir erlangen sollen.

Nur, weil unser neues Leben die gleichen Voraussetzungen, wie das Leben Jesu Christi hat, ist es gerechtfertigt, dass Jesus seinen Nachfolgern verheißt: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird auch die Werke tun, die ich tue, und wird größere als diese tun, weil ich zum Vater gehe.“ (Joh. 14,12)

Davon sind wir aber noch weit entfernt! Nicht, weil Gott das nicht wollte, sondern infolge unseres Unglaubens. Wir glauben nicht an das, was wir wirklich sind und aufgrund dieser Wirklichkeit könnten. Das ist wiederum die Folge mangelnden Interesses an der Wahrheit.

In Kirchen und Gemeinden wurden wir in den Schlaf gelullt, indem nicht die Wahrheiten gelehrt, die zum inneren Wachstum nötig sind, sondern in denen wir immer nur in allgemeinen Floskeln ermahnt wurden, zu „glauben“ und Gutes zu tun. Reifer als ein Baby in der Krabbelbox kann man auf diese Weise kaum werden.

Werde, der Du bist.“

Lichte Botschaft verhüllt durch dunkle Wolken des Unverstandes

Am 21. August 2017 wird in den USA eine totale Sonnenfinsternis zu beobachten sein. Die Tochter des bekannten Evangelisten Billy Graham, Anne Graham Lotz, hielt es deshalb für angebracht zu warnen, dass dieses Ereignis der Beginn von Gottes Gericht über Amerika sein könnte. Doch an wen wendet sie sich mit dieser Botschaft? Sie weiß um die regelmäßigen kosmischen Zyklen, die ganz unabhängig von menschlichen Verhaltensweisen sind, und doch bringt sie diese in Beziehung zum Menschen. Weshalb tut sie das entgegen aller Vernunft?

Aus einem solchen Verhalten können wir sehr viel lernen. Für einen religiösen Menschen ist schon lange diese Welt gerichtsreif. Diese Empfindung bringt sie, ohne dass ihr das bewusst ist, mit den Empfindungen, die den archaischen Menschen bei einer Sonnenfinsternis befielen, in Zusammenhang. Dieser stand den Naturphänomenen unwissend gegenüber. Sie lösten deshalb nur Empfindungsreaktionen hervor. So wie das auch bei den Tieren der Fall ist. Bei einer Sonnenfinsternis verstummen die Vögel, Tiere kriechen in ihre Höhlen.

Selbst uns aufgeklärten Menschen befällt noch eine leise Ahnung von dem, was die frühen Menschen erlebt haben mussten. Der Schriftsteller Adalbert Stifter schilderte seine Eindrücke wie folgt. „ Nie und nie in meinem ganzen Leben war ich so erschüttert, wie in diesen zwei Minuten, es war nicht anders, als hätte Gott auf einmal ein deutliches Wort gesprochen und ich hätte es verstanden. Ich stieg von der Warte herab, wie vor tausend und tausend Jahren etwa Moses von dem brennenden Berge herabgestiegen sein mochte, verwirrten und betäubten Herzens […]. Der schöne sanfte Glanz des Himmels [wurde zum] bleischweren Licht […] – erschütternd war dieses allmähliche Sterben mitten in der noch vor wenigen Minuten herrschenden Frische des Morgens. […] Es war ein überaus trauriger Augenblick. Das hatte keiner geahnet – ein einstimmiges ‚Ah‘ aus aller Munde, und dann Totenstille, es war der Moment, da Gott redete und die Menschen horchten.“

Für die frühe Menschheit war die gesamte Natur ein „Reden Gottes“ bzw. der Götter    (denn der Ein-Gott-Glaube, der Monotheismus, entstand erst später). Aus diesen Empfindungsgründen speist sich noch die gesamte alttestamentliche Theologie. Aus dem Erleben der Natur kommen die Vorstellungen von „finsteren Mächten“, vom „Zorn“ und der „Barmherzigkeit“ der Götter (Gottes), von „Segen“ und „Fluch“. Das Neue Testament muss natürlich an die einmal gewachsenen Vorstellungen anknüpfen, bildet aber zugleich den Übergang zur Neuzeit.

Ein Gott der Liebe musste, solange man die Natur als Reden Gottes verstand, verborgen bleiben. Da war nur ein ständiger Wechsel von „Zorn“ und „Barmherzigkeit“ an den Naturereignissen ablesbar. Erst der sich immer mehr bahnbrechende Verstand konnte die einzelnen Naturobjekte zum Begriff der Natur zusammenfassen und so zum Ein-Gott-Glauben gelangen. Von da, etwa beginnend von Moses, war es wieder eine lange Zeit bis zu Jesus, wo dieser eine Gott als Liebe verkündet wurde. Ein Gott, der im Menschen seine Wohnung hat!

Nun haben nicht länger Naturempfindungen Offenbarungscharakter, sondern das verstehende Erkennen des eigenen Inneren führt, den Menschen verwandelnd, zurück zu Gott. Deshalb sagte Jesus: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen.“ (Jo 8,32)

Auf unserer gegenwärtigen Stufe ist es deshalb nicht mehr fruchtbar, Vorstellungen, über die die Menschheit hinausgewachsen ist, zu reaktivieren. Das geschieht leider immer noch viel zu häufig. Anstatt an der Spitze der Geistesentwicklung zu laufen, hemmen Christen sich selbst mit unzeitgemäßen Begriffen, die aus einem ganz anderen Erleben der Welt stammen. Da wird in naturalistischer Weise von einer Schlange schwadroniert, die den Menschen verführt habe, von einem Baum, der das geistige Vermögen der Unterscheidung gegeben habe, von einem Drachen, von Teufeln und Dämonen, von einem zornigen Gott, der gleichzeitig ein Gott der Liebe sei, dessen Liebe es aber erträgt, dass die Mehrzahl der Menschen ewig in der Hölle schmore – auch wenn sie womöglich moralisch und ethisch besser sind als mancher Christ – nur weil sie nicht „glauben“…

Das alles passt nicht zusammen. Jesu Auferstehung war und ist das fortschrittlichste Ereignis in der Menschheitsgeschichte. Deshalb können Christen nicht länger von dieser und von Gott in einer Sprache reden, die vor mehr als 4000 Jahren einmal modern war. Wir müssen begreifen, was die biblischen Begriffe wirklich meinten. Nur dann können wir in heutiger Sprache von göttlichen Dingen reden. Dann werden wir auch Gehör finden, weil unsere Sache überzeugend ist.

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Wovon handelt diese Rede? Doch davon, daß eine Offenbarung nicht möglich ist als Tradition eines höheren Inhaltes ohne Rücksicht auf die Beschaffenheit der Individuen, welche den Inhalt aufnehmen sollen. Offenbarung ist nur möglich als Erziehung, d. h. als stufenweise Anpassung des Inhaltes an die Fähigkeiten der Individuen, denen die Offenbarung zu Theil wird.“ W. Dilthey

Zurück zu Bibel und Bekenntnis?

Die Gegenwart ist die Folge der Vergangenheit. Wem die Gegenwart nicht gefällt, der muss jetzt die Ursachen für eine bessere Zukunft setzen. Doch ist man dazu bereit? Will man nicht lieber eine Vergangenheit beschwören, wo die heutige Problematik noch nicht offenbar war?

Die konservative Christenheit wurde aufgeschreckt durch die Befürwortung der Homo-Ehe seitens kirchlicher Würdenträger, und schon kommt der Ruf: Zurück zu Bibel und Bekenntnis!

Ja, gerade das tote Bibel- und Bekenntnischristentum wacht ja dann erst auf, wenn ihm etwas gegen den Strich läuft. Es entfaltet gerade kein reiches Geistesleben, das unvernünftige Entwicklungen schon im Vorfeld als solche entlarvt.

Einer der bedeutendsten reformierten Apologeten vor dem Ersten Weltkrieg fragte: „Was hat uns aber der Gegensatz des Mystizismus, der platte, nüchterne, aufgeklärte Protestantismus, mit seiner Orthodoxie ohne Feuer noch Geist gebracht? “ und er antwortet darauf „„Ein totes Formel- und Dogmenwesen, ein bloßes Ja-, Ja-sagen, ohne auch nur eine Ahnung von den Kräften der zukünftigen Welt, von der Freiheit und Macht, von dem Brausen und Rauschen des Heiligen Geistes, von einem inneren mit Christo in Gott verborgenen Leben. Mit Lehrsätzen allein kommt man aber nicht in den Himmel.“ (Fr. Bettex)

Wenn „erwachsene Menschen Glaubenstraditionen und – praktiken wie Kinder akzeptieren sollen, denen man sagt, sie sollen die Augen zu- und den Mund aufmachen und alles schlucken, was man ihnen gibt “ führt das „niemals zur Reife“, sondern „im besten Fall zu Borniertheit, im schlimmsten Fall zur Kultbegeisterung.“ (J.I. Packer). Hempelmann, von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen schrieb: „Sie ersetzen Gewissheit durch Sicherheit. Sie lassen sich von einer Vollkaskomentalität beherrschen, die die Wahrheit des Glaubens an den dreieinigen Gott der Anfechtung zu entziehen versucht.“ (EZW-Texte 206)

Weil das so ist, versagt „der Fundamentalismus (…) vor dem Kontakt mit der Gegenwart, und zwar nicht deshalb, weil er der zeitlosen Wahrheit, sondern weil er der gestrigen Wahrheit verhaftet ist. Er macht etwas Zeitbedingtes und Vorübergehendes zu etwas Zeitlosem und ewig Gültigem. Er hat in dieser Hinsicht dämonische Züge. Denn er verletzt die Ehrlichkeit des Suchens nach der Wahrheit, ruft bei seinen denkenden Bekennern eine Bewußtseins- und Gewissensspaltung hervor und macht sie zu Fanatikern, weil sie dauernd Elemente der Wahrheit unterdrücken müssen, deren sie sich dunkel bewußt sind.“ (Paul Tillich)

„Der Fundamentalist ist überzeugt, Zeuge des Absoluten zu sein. Er hat keine Fragen, nur Antworten.“ (Prälatin Gabriele Wulz, Ulm) – und ist damit geistlich tot. Denn nur aus lebendigem Fragen werden Antworten zur Nahrung der Seele.

Papageiern…

Der geachtete Evangelikale A.W. Tozer spürte das Verlangen der Menschen nach wirklichem spirituellem Leben: „ die Gemeinde Christi (lechtze) heutzutage nach Menschen, die zur Lösung geistlicher Probleme ihren durchläuterten, engagierten Verstand gebrauchen.“ Doch musste er sich eingestehen:

„ Unglücklicherweise hat der Fundamentalismus niemals (!) einen großen Denker hervorgebracht. Wenn man das Werk der religiösen Presse seit der Jahrhundertwende überprüft, wird man nicht ein einziges Buch von einem Fundamentalisten finden, das den Beweis unabhängigen Denkens erbringt.

Wir, in den Evangeliumsgemeinden, haben … uns damit zufrieden gegeben, die Worte anderer Männer nachzuplappern und religiöse Klischees ad nauseam [bis zum Erbrechen] zu repetieren. Obwohl meine geistlichen Sympathien ganz auf der Seite des orthodoxen christlichen Glaubens stehen, muss ich dennoch bemerken, dass der Evangelikalismus, wie er im letzten halben Jahrhundert verfochten und gelehrt worden ist, die Tendenz hat, kritischgeistige Fähigkeiten zu paralysieren und konkretes Denken zu verhindern. Moderne Evangeliumschristen sind Papageien, keine Adler, und anstatt auf und ab zu segeln, um die grenzenlose Weite des Himmelreichs Gottes zu erforschen, sind sie damit zufrieden, auf ihren vertrauten Ästen zu sitzen und mit Fistelstimmen religiöse Worte und Phrasen nachzuplappem, deren Bedeutung sie kaum verstehen. In ein oder zwei Generationen wird das, was jetzt noch Evangelikalismus ist, zu Liberalismus geworden sein. Kein lebendiges Wesen kann lange von seiner Erinnerung existieren.

Die Christen dieser Generation müssen selbst hören und sehen, wenn sie der religiösen Stumpfsinnigkeit entfliehen wollen. Abgenutzte Schlagworte können sie nicht retten. Wichtige Gedanken werden in Worten ausgedrückt, doch ist es eine der Tragödien im Leben, dass Worte selbst dann noch widerhallen, wenn ihre Bedeutung schon lange verblasst ist. Das führt zu dem Ergebnis, dass gedankenlose Männer und Frauen glauben, die Realität gepachtet zu haben, nur weil sie sich der Worte noch bedienen. Genau an diesem Punkt befinden wir uns heute.“

Er kommt deshalb zu dem Resümee: „Tatsächlich ist die gesamte evangelikale Welt im Großen und Ganzen einem gesunden Christentum eher hinderlich. Ich denke dabei nicht an den Modernismus. Ich meine damit eher die bibelgläubigen Massen, die Rechtgläubigkeit für sich beanspruchen.

Wir müssen der Wahrheit ins Angesicht blicken: Der geistliche Zustand unter uns in seiner Gesamtheit ist niedrig.”

 

Die Lösung

Alle Abweichungen vom Weg des Lebens beruhen nach Madame de Guyon (1648-1717) auf dem Verlust der Innigkeit. „Wäre diese wieder hergestellt, wären jene gewiss bald ausgerottet. Wo Glauben und Gebet einer Seele abgeht, bemächtigt sich ihrer der Irrtum. “

Wahrer Glaube ist nach den Worten des Missionars E. Stanley Jones „ein Abenteuer des Geistes, ein Eingehen unseres ganzen Innenlebens auf etwas, das uns im höchsten Sinne als der Mühe wert erscheint. “ Das spüren immer mehr Zeitgenossen. Der freikirchliche Prediger Christof Lenzen wurde sich dessen bewusst, als er diesen Satz im Autoradio hörte: „Wir brauchen im Leben zwei Dinge. Etwas, das uns satt macht, und etwas, das uns hungrig macht.“ Dieser hat ihn am Fahrbahnrand anhalten lassen. „ denn er bringt ganz viele Seiten in mir zum Schwingen – aber er hat mich gleichzeitig traurig gemacht. Denn sofort bin ich bei der Standardantwort eines guten Christen: Jesus. Er macht satt – aber er macht auch hungrig nach mehr, nach Leben, nach Fülle, nach Hineinwachsen in seine Wesensart.

Und ja, diese Antwort ist absolut richtig. Doch ich spüre auch, wie lange Zeit kein Hunger mehr da war. Gerade weil Jesus zu sehr Antwort auf alle Fragen war und zu wenig auch Abenteuer und Geheimnis. Da hat nichts mehr meine Sehnsucht angefacht!

Gleichzeitig hatte ich mich um die Beziehung zu Jesus abgekämpft und war müde und, ja, auch bitter geworden. “

„Gläubig ist nicht jemand, der an eine Heilige Schrift glaubt, sondern jemand, der Notfalls selber eine schreiben könnte.“ (Schleiermacher)

Jeder Christ ein Psychologe?

Eine sonderbare Fragestellung? – Nein, ganz und gar nicht! Ganz eindeutig heißt es doch in der Bibel, dass niemand ohne Heiligung den Herrn sehen wird (Hebr 12,14). Heiligung aber ist ein Prozess der Transformation des natürlichen Menschen in einen übernatürlichen, eines „fleischlichen“ Menschen in einen „geistlichen“ Menschen, eines Sünders in einen Heiligen (1. Kor. 2, 14-15; Kol 3,9-10). Das setzt voraus, dass wir nicht nur die Bibel gut kennen, sondern auch in ganz engem Kontakt mit uns selbst sind. Denn wir sollen ja, durch das „Wort Gottes“, das uns informiert (nebenbei: im Wort „informieren“ steckt das Wort „eine Gestalt geben“, lat. „informare), verwandelt werden. Es findet also in uns etwas statt. Wie sollten wir da von dem, was wir sind und von dem was wir sein könnten und den „Techniken“ der Wandlung „keine Ahnung“ haben? – Dadurch, dass wir eine solche Wandlung anstreben, müssten wir doch zu psychologischen Experten werden!

Wer sich aber in der Christenheit umsieht, bemerkt, dass das nicht der Fall ist. Nicht nur der einfache Christ hat wenig Einsicht in psychologische Tatsachen, sondern auch die führenden Köpfe kommen kaum über das hinaus, was die profane Psychologie lehrt. Das alles deutet darauf hin, dass der Glaube bei uns lediglich ein Oberflächenphänomen ist, dass er nicht tief genug geht. Er verändert uns nicht wirklich, da wir es uns an der allgemeinen Wurstelei genügen lassen.

Da Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis untrennbar zusammengehören, muss uns das Chaos der Auffassungen über Wesen und Inhalte des christlichen Glaubens nicht wundern, denn wir sind alle mehr von einer „christlichen“ Ideologie geprägt denn von wirklichem Glauben.

In der psychologischen Praxis wird deshalb häufig erlebt, „wie ein scheinbar fester Glaube [sich] auflöst – aber nicht, weil die Psychotherapie ein Feind des Glaubens wäre, sondern weil Ideologie ihr nicht standhält.“ Solche Christen haben, wie der Psychotherapeut H. Bartz erläutert, „ eine intellektuelle Überzeugung religiöser Art für Glauben gehalten. Sie haben den Glauben, der ein Akt des ganzen Menschen ist, mit einer Meinung verwechselt. Sie haben gewähnt, Gotteserkenntnis zu besitzen, besaßen aber nur eine tote Wahrheit, weil sie den Weg dahin, nämlich den Weg der Selbst-Erfahrung, nicht gegangen waren.“ [Hervorhebungen innerhalb des Zitats von mir.]

Wenn wir nicht mehr als nur ein Vertreter einer Ideologie sind, dann sind wir nicht besser als die Pharisäer, die auch den „Schlüssel der Erkenntnis“ besaßen, ihn aber nicht nutzten (Lk 11,52). Dann können wir weiterhin nur Meinungen haben und uns ewig über das Schriftverständnis streiten. Wir haben dann nur den Buchstaben, der tötet, und nicht den Geist, der lebendig macht (2. Kor 3,6).

Wir haben dann nur ein Buch, das uns zum Götzen wird, anstatt Christus!

Lasst uns umkehren zu einem lebendigen Glauben!