Du kannst Dich ändern…

Falsche Ansätze

Dass die Menschheit im Argen liegt, war schon immer offensichtlich. In der Neuzeit kam man auf die Idee, dass der wissenschaftliche Fortschritt im Verein mit den technischen Mitteln die Erde in ein Paradies verwandeln könnte. Diesem Wahn hängt man heute immer noch an, aber eher mehr aus Gewohnheit und ökonomischen Sachzwängen.

Der Marxismus erkannte wenigstens, dass der Mensch geändert werden müsse, und man glaubte ein neuer Typus würde dadurch entstehen, dass die Wirtschaft in die Hände der Produzierenden gelange. Aber der Ostblock brachte keinen neuen Menschen hervor. Doch immer noch meint man, eine gerechtere Verteilung des Reichtums würde die menschlichen Probleme lösen.

Allen diesen Vorstellungen ist gemein, dass der Mensch die Lösung seiner Probleme im Außermenschlichen sucht. Im Grunde heißt das ja, ich bin gar nicht das Problem, sondern die Natur, die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse sind es. Und wenn man merkt, es ist doch der Mensch, dann ist es natürlich der Andere, der sich ändern muss (sehr gut im Ehestreit anschaulich!).

Selbstbetrug vieler Christen

Von dieser Projizierung des Übels und der Lösung desselbigen auf Außermenschliches ist natürlich der christliche Glaube nicht ausgenommen. Dieser Selbstbetrug, den jeder von uns Menschen fast triebhaft in jedem Augenblick vollzieht, muss durchschaut werden!

Zwar gibt jeder Christ zu, dass er ein Sünder ist und der Erlösung bedarf – aber damit hat es sich auch schon…

Wem ist wirklich gegenwärtig, dass Erlösung nichts anderes heißen kann als Erlösung vom Sündersein ? D.h. ich, Du musst grundlegend geändert werden, ich und Du, wir müssen uns ändern. Das ist die vordringlichste und unausweichliche Aufgabe eines jeden Menschen!

Da es eben eine grundlegende Sache ist, kann ich mich natürlich auch nicht ändern, indem ich die Gebote halte und „gute Werke“ tue. Gebote und Gesetze müssen ja nur denjenigen gegeben werden, deren innere Natur gegen diese rebelliert. Menschliche Ordnungen können deshalb nur durch Gebote und Gesetze (s. Staat) aufrechterhalten werden. Eine Lösung der menschlichen Probleme sind sie nicht. Da muss man tiefer ansetzen.

Der Mensch kann nur dadurch ein neuer Mensch werden, wenn alles aus einer neuen Grundlage hervorgeht. Nur aus einem Apfelkern geht ein Apfelbaum hervor, aus einem Pinienkern eine Pinie.

Auf den Menschen übertragen heißt das: nur aus Deiner Identifikation mit dem physischen Körper gehen Sünde und Tod hervor. Das beinhaltet natürlich auch die ganz natürliche Identifikation mit dem, was Du bisher im Leben erlebt und erfahren hast, die Identifikation mit Deinen Gefühlen, Vorlieben und Abneigungen. Das alles ist Deine Vergangenheit. Wer aber zurückschaut, ist nicht geschickt zum Reich Gottes (Lk. 9,62).

Wenn Du Dich aber identifizierst mit Deiner Unsterblichkeit, dann gehen aus ihr nur Klärung, Reinigung, Gesundung, Heiligung und Heiligkeit hervor.

Das alles geht natürlich nur allmählich, wachstümlich, wie bei einem Baum, der ja auch nicht schon beim ersten Sproß Frucht bringt.

Aber Du musst nicht denken, dass Du deshalb die Hände in den Schoß legen kannst. Christen, die ein falsches Gnadenverständnis haben, meinen, sie müssten sich nicht wirklich grundlegend ändern, sondern es genüge, sich nach dem Tod auf das „Sühneopfer Christi“ zu berufen, und das würde ihnen ewige Glückseligkeit sichern.

Merken wir, wie sich hier wieder der große Selbstbetrug, von dem wir am Anfang sprachen, meldet?

Wieder bin ich es nicht, der sich ändern muss, sondern ich erwarte das Heil von einer neuen Umgebung, in die ich quasi durch eine Zauberformel oder durch ein Losungswort (so, wie man durch das richtige Losungswort Zugang zu verschlossenen Gesellschaften erhält) versetzt werde. Der Tod, obwohl in der ganzen Bibel negativ bewertet, wird zur wahren Erlösung umfunktioniert.

Christus spielt eigentlich eine ganz untergeordnete Rolle, eben die eines Lösungswortes. Nichts weiter!

Dabei könnte doch hinreichend bekannt sein, dass eine neue Umgebung wirklich nichts am Charakter eines Menschen ändert. Aus allen Mitteilungen, die wir von im Glauben fortgeschritterneren Menschen über das Leben nach dem Tod, erhalten haben, geht genau das hervor.

Du bist und bleibst eben das, was Du wirklich bist, was also wirksam in Dir lebt, und nicht was Du glaubst. Glaube ist nur ein Mittel, das Dir auf Erden zur Verfügung steht, damit Du Dich ändern kannst, also wodurch langfristige, neue Wirkungen möglich werden.

Entsprechend Deinen wirklichen Qualifikationen wird sich Dein Leben nach dem Tod gestalten.

Der eine bringt 30-, 60- oder gar 100-fältig Frucht, hat wenig oder viel mit seinen Talenten gewuchert. Entsprechend ist sein Lohn, d.h. das rechte Leben ist der Lohn selbst, wie das sündige Leben auch der Lohn selbst ist. Bei beiden ist das nicht sofort offensichtlich. Sünde kann lange Zeit Spaß machen, später wird erst die Kehrseite sichtbar. Richtig zu glauben und zu denken, kann länger anscheinend vergeblich sein, bis man merkt, dass sich etwas Neues gebildet hat, ein neuer Tragegrund, eine wirkliche Gelassenheit, wo man vorher ungelassen blieb.

Worauf es ankommt

Glauben ist ARBEIT AN SICH SELBST. Die Gnade besteht einzig darin, dass uns alle Mittel zur Verfügung stehen, um diese Arbeit zum Erfolg führen zu können.

„Arbeit“ klingt nach Anstrengung und hat hier eigentlich keinen Platz. Wenn ich trotzdem diesen Begriff in Ermangelung eines besseren verwende, dann deshalb, weil wir genötigt sind, zu arbeiten.

Genauso wenig können wir uns der Nötigung entziehen, uns zu ändern, wenn wir einmal ewig glücklich sein wollen.

Worin aber besteht das Wesen dieser Arbeit an sich selbst? – Sie besteht gerade darin, dass wir lernen total gelassen, völlig sorglos zu werden, völlig entspannt durchs Leben zu gehen! Das fällt nämlich dem natürlichen Menschen am schwersten. Denn das Äussere bedrängt uns, und deshalb sind wir permanent unruhig. Ständig denken wir, dass wir etwas machen müssen.

Als Christen sind wir erlöst. Deshalb gibt es für uns überhaupt nichts mehr zu tun. Im Bewusstsein dessen, dass es nichts mehr zu tun gibt, können wir in die heilsame Ruhe eingehen (Hebr. 4,3), und wenn uns das gelungen ist, haben wir ewig Ruhe! Vorher nicht…

Da es in diesem Sinne sehr viel zu tun gibt, ist Zeit das kostbarste Gut, das wir haben. Deshalb ist es unverständlich, dass viele Christen ihre Zeit mit allerlei Unnötigem vertändeln (Eph. 5,16). So wird man am Ende des Lebens nicht viel weiter gekommen sein, als am Anfang.

„Betet ohne Unterlass.“ (1. Thess. 5,17) – damit ist natürlich nicht gemeint, ständig in Worten irgendwelche Bitten vorzubringen, sondern im ständigen Bewusstsein unserer wahren Natur zu leben oder über diese zu meditieren.

Seid vollkommen!

Ein großer Stein des Anstoßes unter denen, die Christen sein wollen, ist die Aufforderung Jesu „Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ Mt. 5,48 . Mit diesem Satz konfrontiert, heißt es sogleich, dass kein Mensch vollkommen sein kann. Also wird dieses dezidierte Wort Gottes vollkommen ignoriert. Dagegen mag man vielen Wert darauf legen, dass die Mitbrüder und -schwestern ja an die Personalität eines Teufels oder ein wortwörtliches Sechstagewerk glauben… Größer kann die (unbewusste) Heuchelei nicht sein. Man macht sich und anderen etwas vor.

Wenn Jesus uns auffordert vollkommen zu sein, dann hat uns Gott auch die Befähigung dazu geben. Sonst würde eine solche Aufforderung keinen Sinn machen. Der erste Schritt muss deshalb sein, zu glauben, dass ich vollkommen sein kann. Denn kein Mensch wird etwas in Angriff nehmen, was ihm aussichtslos erscheint.

Wer in der Heiligung etwas fortgeschritten ist, erkennt möglicherweise sogleich, dass jeder Mensch ontologisch gesehen, bereits vollkommen ist. Jedes Lebewesen ist ein spezifischer Ausdruck des Lebens an sich. Das Leben ist vollkommen. Das Leben ist ewig. Es ist Gott (Vater).

Nur auf dieser Grundlage kann Gott uns das geben, was in der Bibel als „ewiges Leben“ bezeichnet wird. Denn das, was wir bisher erfuhren als lebendige Wesen, bezeichnet die Bibel als Tod (Eph. 2,21). Wer leidet oder anders mit seinem Dasein unzufrieden ist, drückt genau das aus. Er sagt vielleicht: „Das ist kein Leben mehr, was ich jetzt lebe. Es ist ein Sch…leben!“

Alle Menschen leben ewig. „Ewiges Leben“ haben aber nur die, die sich von der Vollkommenheit bestimmen lassen. Nur die werden auch vollkommen werden, d.h. ins Leben eingehen (Mt. 19,17).

Es ist damit also jene Qualität des Lebens gemeint, die im Einklang mit dem Leben an sich ist.

Der neue Mensch

Es wurde gesagt, das Leben an sich sei vollkommen. Was heißt „vollkommen“? Es heißt, es bedarf nichts außerhalb seiner selbst. Im Vollkommenen ist keinerlei Mangel.

Genau ein solches Leben der Fülle, das keinerlei Mangel mehr kennt, ist uns gegeben und wird immer mehr zur Erfahrung, wenn wir uns am Ewigen genügen lassen und damit allen Mangel aufgeben, den der natürliche Mensch am Leben hält, indem er ständig denkt: „Ich habe dies nicht, ich habe das nicht. Mir fehlt dies, mir fehlt das. Das kann mir schaden. Das kann mir nutzen.“

In Wahrheit benötigen wir nichts aus dieser Welt oder der Schöpfung überhaupt. Dadurch, dass wir ewig sind, sind wir vollkommen und haben keinerlei Mangel.

Wir bleiben andererseits ewige Mängelwesen, wenn wir diese unsere Wahrheit nicht erkennen und leben; wenn wir nicht unsere Bestimmung erfüllen. Durch Glauben an unsere Vollkommenheit wird unsere menschliche Natur in die göttliche Natur transformiert, wie sie Jesus in seiner Auferstehung zum Ausdruck brachte.

Jesus Christus ist der wahre Mensch. Nur deshalb konnte er sagen: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ (Joh. 14,6). Er ist das, was ich bin. Auch ich bin das Leben, denn das sich seiner selbst unbewusste Leben will sich in mir seiner Herrlichkeit bewusst werden, wie es das dem Leben bereits in Jesus gelang, in dem er sich mit dem Vater, und nicht mit dem Leib (wie es der natürliche Mensch tut) identifizierte (Jo. 10,30).

Nur im Menschen kann sich das Leben seiner selbst bewusst werden.

Himmel und Hölle

Die subjektiven Wertungen

 

Nehmen wir an, Sie befinden sich in einem Dschungel Lateinamerikas und hören plötzlich ein lautes Brüllen. Wenn Sie dieses nicht sofort identifizieren können, befinden Sie sich in Alarmbereitschaft. Ihre ganze Aufmerksamkeit wird davon gefesselt. Ist es ein Jaguar? Was ist es? – Bis Ihnen einfällt, es ist ja nur ein Brüllaffe. Nun können Sie wieder unbesorgt Ihres Weges ziehen. Sie hören zwar immer noch das Brüllen, aber es hat keine Bedeutung mehr für Sie.

Ein anderes Beispiel: Neben Ihrem Bett tickt ständig der Wecker. Das stört Sie aber nur, wenn Sie direkt darauf achten und eigentlich schlafen wollen. Sonst hören Sie ihn nicht einmal. Auch hier wird Ihre Aufmerksamkeit nur gefesselt, wenn Sie dem Ticken eine persönliche Bedeutung beimessen, nämlich, dass es in der Lage sei, Sie wach zu halten.

Dadurch, dass wir die Signale unserer Umwelt deuten, bekommen sie für uns erst eine Bedeutung. Mit dieser ganz persönlichen Deutung des Geschehens um uns herum, oder auch des in unserem eigenen Inneren vorgehenden, also der Körperempfindungen, schaffen wir unser eigenes Gut und Böse, Positiv und Negativ. Das alles entsprechend dem, ob es unserem eigenem Wollen dient, oder ihm entgegensteht.

Das Negative an sich gibt es nicht. Uns begegnet im Leben nichts Negatives, sondern immer nur etwas, das unserem ganz persönlichen Wollen, wenn nicht immer, so doch im gegebenen Augenblick unerwünscht ist. Das ist dann das, was wir ganz persönlich negativ werten.

Das ist ganz wichtig zu wissen. Denn niemand kann uns von unseren Wertungen und damit von der Art des Erlebens befreien, als nur wir selbst. Auch Gott kann das nicht für uns tun. Jeder kann nur für sich, indem er ganz aufmerksam wird, wie er jede Situation im Augenblick bewertet, seine Bewertungen ändern.

Wir halten zunächst fest: Unser Erleben wird von der Bedeutung bestimmt, die wir den Eindrücken der Umwelt geben. Die Bedeutung wiederum fußt auf unseren Wertungen. Die größte Aufmerksamkeit schenken wir dem, was uns in allgemeiner Weise oder im gegebenen Augenblick als wichtig erscheint. Auf einen vermeintlichen Jaguar zu achten, wird nur vorübergehend, die Liebe zu einem unserer Hobbies dagegen, wird anhaltender sein.

Doch wie man es dreht und wendet, das Leben wird uns immer wieder Situationen bescheren, die uns nicht passen. Solange wir unser Glück in einer selektiven Entscheidung für diese oder jene Inhalte der Welt treffen – was jeder Mensch zunächst tut -, werden andere Inhalte der Welt gegen uns sein. Ein dauerhaftes Glück ist auf diese Weise unmöglich zu erlangen.

Im Gegenteil, die Enttäuschungen, die wir erleben, können uns in eine negative Abwärtsspirale führen, sodass man ganz im Negativen gefangen wird. Das ist dann die sogenannte Hölle.

Würde der Mensch lediglich ein Wesen sein, das mit der Geburt seinen Anfang nimmt und mit dem Tod endet, könnten wir diesen Gegebenheiten niemals entrinnen. Wir würden abhängig von unserer Umwelt bleiben. Das wäre der ganz natürliche Zustand.

Der Sinn des Lebens

Aber der Mensch ist nicht Fleisch und Blut, er ist nicht der Körper, sondern er hat einen Körper. Das, was den eigentlichen Menschen ausmacht, ist ewig. Deshalb hat das Leben einen Sinn! Dieser besteht darin, zu lernen, sich mit dem Ewigen zu identifizieren, um so die Abhängigkeiten vom Äußeren, also kurz gesagt, die Welt, zu überwinden, um dauerhafte Freude, dauerhaftes Glück, ewiges Heil zu erlangen.

Wer das ewige Heil erlangen will, dem bleibt nichts anderes übrig, als alle persönlichen Wertungen von Gut und Böse loszulassen und dem Objektiven zu folgen. Das Ewige allein ist Positiv. Sich darüber zu freuen, dass man ewig ist, indem man sich klar macht, was das alles für unser Leben im Hier & Jetzt und überhaupt bedeutet, gibt uns befreiende und weltüberwindende Kraft.

Die Abhängigkeit von der Welt, vom Äusseren, ist das objektiv Negative. Das bedeutet nicht, dass die Schöpfung (also das Äußere) schlecht wäre, sondern nur die Abhängigkeit des Menschen von ihr.

Will man also in den Himmel kommen, so muss man die Wünsche und Vorstellungen immer mehr aufgeben, die sich auf die Inhalte der Welt, also das Veränderliche, beziehen. Das betrifft auch jene Wünsche, die sich darauf beziehen, dieses oder jenes in der Welt gern noch zu erleben oder tun zu wollen. Die Einstellung „Habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist.“( 1. Joh 2,15) ist praktische Notwendigkeit für den Eingang ins Himmelreich.

Wir bleiben vom Äusseren, von den Umständen beherrscht, wenn wir die Welt und ihre Inhalte weiterhin lieben. Wir haben damit unser Glück und Wehe aus unseren Händen gegeben.

Wir erlangen aber wahre Herrschaft und Selbstbestimmung, wenn wir uns an unserer Unvernichtbarkeit – das höchste Gut, das es gibt – erfreuen. Denn durch diese ständig gegenwärtige Erfüllung dessen, was unsere zersplitterte Wunschnatur eigentlich wünscht, gewinnen wir Abstand zu unserer „fleischlichen Natur“ (die sich eben auf die Inhalte der Welt bezieht) und Distanz zur Welt. Es kann uns dann immer mehr egal sein, wie die Welt mit uns umspringt. Wir werden immer ein glücklicher Fels in der Brandung sein. Wir werden zunehmen an innerem und äusserem Heil.

In die gleiche Richtung zielen die Anweisungen „Freuet euch allezeit, abermals sage ich freuet euch!“ (Ph. 4,4) und „Seid dankbar in allen Dingen und für alles!“ (1. Thess. 5,18; Eph. 5,20).

Diese Haltungen übend, werden sie uns immer mehr zur Gewohnheit, sodass unsere Aufmerksamkeit immer mehr vom Positiven gefesselt wird, und damit Wohlfühlen, Freude, Glück, Frieden, Liebe, Gesundheit Beständigkeit erlangen. So bringen wir die Früchte des Geistes (Gal. 5,22) hervor.

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In dir ist was du willst
Der Himmel ist in dir / und auch der Höllen Qual:
Was du erkiest und willst / das hast du überall. 

Der Himmel ist in dir
Halt an wo läufst du hin/ der Himmel ist in dir:
Suchst du Gott anderswo/ du fehlst ihn für und für.

Nichts verlangen ist Seligkeit
Die Heilgen sind darum mit Gottes Ruh umfangen/
Und haben Seligkeit/ weil sie nach nichts verlangen.

Wie wird man Gottes gleich?
Wer Gott will gleiche sein/ muß allem ungleich werden.
Muß ledig seiner selbst/ und los sein von Beschwerden.

Gott verdammt niemand
Was klagst du über Gott? Du selbst verdammest dich:
Er möcht’ es ja nicht tun/ das glaube sicherlich. 
(aus „Der cherubinsche Wandersmann“, Angelus Silesius)

Kennen wir den „schmalen Weg“?

Christen wollen in der Ewigkeit bei Gott sein. Die Hölle bezeichnen sie als Gottferne. Doch weshalb will man erst nach dem Tod, mit dem, ihrer Meinung nach, die Ewigkeit beginne, bei Gott sein? Ist Gott nicht allgegenwärtig, also auch im Hier und Jetzt?

Paulus schreibt: „In ihm leben, weben und sind wir.“ (Apg 17,28). Was hindert uns also jetzt bei ihm zu sein? – Der Schlüssel liegt darin: „Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.“ (Mt 6,21). Wir lieben nur das, was uns wichtig ist. Dort sind wir mit unseren Gefühlen und Gedanken. Jeder kennt das aus den Zeiten des Verliebtseins. Liebende sind sich immer nahe, auch wenn sie geografisch getrennt sind. Sie sind sich immer Erfüllung. Nichts anderes kann diesen Platz einnehmen. Es gibt für sie kein größeres Glück. Keine Alternative. Alles dreht sich nur um dieses eine Zentrum.

Der Prüfstein unserer Liebe

Nehmen wir dagegen Judas. Er war Jesus ganz nahe – und doch so fern! Äusserlich können auch wir Gott nahe sein. Wir beschäftigen uns vielleicht täglich mit seinem Wort. Aber da ist kein Glück, keine Erfüllung. Es lässt uns kalt und unbefriedigt zurück. Wollen wir behaupten, wir seien Gott nahe? Wir müssen nur auf unsere Gefühle achten, dann wissen wir auch, was uns ganz persönlich wichtig ist. Woran denke ich gern? Woran am liebsten? Da also ist unser Herz, unser Schatz.

Worin das Leid besteht

Menschen wundern sich immer über das vielfältige Leid, das ihnen begegnet. Ja, wie sollten wir denn nicht leiden, wenn wir das Vergängliche, das Veränderliche, das Räumlich – Getrennte lieben? Entweder haben wir dann, was wir nicht haben wollen oder besitzen nicht, was wir besitzen wollen. Wir haben erlangt, was wir wollten – aber es wird uns wieder genommen. Durch solche Wechselbäder der Gefühle kann der Mensch nicht nur seelisch erkranken, sondern auch physisch. Und doch hängen wir immer weiter an Menschen und Dingen. So können wir jedenfalls keineswegs dauerhaft glücklich und heil werden. Im Gegenteil, durch die Häufung negativer Erfahrungen kommen wir der Hölle immer näher. Die Hölle ist ja, wie der Himmel, kein Ort, sondern ein seelischer Zustand. Deshalb sagt Johannes: „Habt nicht lieb die Welt, noch was in ihr ist.“ (1. Jo 2,15) Denn die Liebe zum Innerweltlichen trennt uns vom ewigen Glück, von Gott.

Der Weg zum Glück

Wir Menschen wollen nichts anderes, als dass es uns wohlgeht, dass wir glücklich sind. Das ist der einzige Grund, weshalb wir so viel Mühe auf uns nehmen. Aber es ist alles vergebliche Mühe, wenn wir das Glück nicht dort suchen, wo es zu finden ist: im Ewigen!

Nur das, was ewig ist, kann uns, da dieses allein Kontinuität besitzt, ewig glücklich machen. Und da wir außer dem Ewigen letzten Endes nichts mehr bedürfen, auch dauerhaft heil nach Geist, Seele und Leib.

Wer das begriffen hat, zieht immer mehr seine Aufmerksamkeit von den Dingen dieser Welt zurück. Er kommt aus der Zerstreuung in die Sammlung (Mt 12,30; 23,37). Aus der Betriebsamkeit in die Kontemplation und Meditation. Er verweilt gern und lange in der Stille, denn in ihr erlebt er Gott. Er hat es nicht mehr nötig, hierhin und dahin zu hetzen. Er erlebt das Heil.

Abraham Maslow, ein bedeutender Psychologe, fragte sich, was psychisch besonders gesunde Menschen auszeichne. Dabei stieß er auf eine ganz überraschende und für einen Agnostiker, wie er einer war, kaum akzeptable Tatsache. Psychisch ganz besonders gesunde Menschen tendieren zu „mystischen Erfahrungen“! Er schreibt: „Der Himmel ist überall um uns herum, steht im Prinzip immer zur Verfügung.“

Der „schmale Weg“ ist also der Weg der liebenden Vereinigung mit dem Urgrund alles Seins, den wir Gott nennen. Und wie ein Weg die Vorstellung von einem Beginn und einem Ziel beinhaltet, so beginnen tausend Schritte mit dem ersten. Dem Ziel kommen wir durch immer intensivere Liebe zum Ewigen näher.

Erwachsen werden

 

Und er hat die einen als Apostel gegeben und andere als Propheten, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, zur Ausrüstung der Heiligen für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes Christi, bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zur vollen Mannesreife, zum Maß der vollen Reife Christi.

Denn wir sollen nicht mehr Unmündige sein, hin- und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre durch die Betrügerei der Menschen, durch ihre Verschlagenheit zu listig ersonnenem Irrtum. (Eph. 4, 11-13)

Kommt das überhaupt noch in unseren Blick, das, was der Apostel da schreibt, die Mannesreife, das Maß der vollen Reife Christi? Brüsten sich im Gegenteil nicht viele ihrer Unvollkommenheit und ihres Versagens und dass sie doch nur durch Christi Gnade in den Himmel kämen? – Ja, wozu sind wir dann überhaupt von neuem geboren, von „oben“ geboren worden  ?

Kinder Gottes zu sein, bedeutet aus dem gleichen Geschlecht zu stammen wie Jesus Christus (Joh 1,13). Als neue Schöpfung (2. Kor 5,17) sind wir nicht mehr dem „Menschlich-Allzumenschlichen“ unterworfen. „Fleisch und Blut“, d.h. die Identifizierung mit unserem physischen Körper und seinen Bedürfnissen, soll nicht mehr bestimmend für uns sein. Wir sollen in der Kraft Gottes leben, durch die wir alles vermögen (Phil 4,13)!

Mit unserem geistlichem Wachstum sollte es sich nicht anders als bei einem gesunden natürlichen Wachstum verhalten. Das Menschenkind ist dazu bestimmt, laufen und sprechen zu lernen. Es soll lernen, sich in der natürlichen Welt zurechtzufinden, ohne fremde Hilfe leben und selbstständig Aufgaben erledigen zu können. Erst wenn es das alles kann, ist das Ziel der Geburt erreicht.

Auch wenn das Kind immer wieder im wörtlichen und später im übertragenen Sinne, hinfällt, kommt ihm gar nicht in den Sinn, dieses Versagen als seine eigentliche Natur zu betrachten. Im Gegenteil, es freut sich über jeden Fortschritt, den es macht. Wie freut sich besonders ein Kleinkind! „Schau Mutti, schau Vati, was ich alles kann!“ Natürlich gibt es auch im natürlichen Leben Menschen, die sich als Versager fühlen. Doch je mehr sie sich mit dem Versagen identifizieren, umso unfähiger werden sie.

Kein gesunder Mensch kommt auf die Idee, besonders schlecht zu sein, damit anderen Menschen die Ehre zukommt, gut dazustehen und auf ihn herabzusehen!

Aber in Glaubensdingen meint man Gott dadurch die Ehre zu geben, dass man als Versager, als ständig armer Sünder dasteht!

Nein, und abermals Nein! Man gibt Gott die Ehre, wenn man seine Taten tut, sein Wesen verkörpert. Und das kann man eben nur, wenn man sich bewusst ist, wer man ist: Ein Kind Gottes, nicht mehr der Mensch aus Fleisch und Blut!

Ein Kind kann noch nicht begreifen, wer es wirklich ist. Es weiß noch nicht, was das Menschsein ausmacht. Ohne die Hilfe Erwachsener kann es nicht wirklich Mensch werden. Ebenso wenig kann der Babychrist ohne die Hilfe fortgeschrittener Christen reifen, ja zur vollen Mannesreife in Christo kommen.

Aber, was ist es, was wir heute erleben? – Eine zerrissene Christenheit mit einer Unzahl von Lehren und Meinungen. Überall nur Unmündigkeit! Babychristentum!

Wo sind die Christen, die Gewisses  über Glaubensdinge, über die spirituellen Zusammenhänge, sagen können? Wo sind die Christen, die ein übernatürliches Leben leben und Wunder tun?

Hört auf, Euch selbst zu betrügen! Ihr, die ihr meint rechtgläubig zu sein, ihr seid nicht reich, sondern arm. Kauft Augensalbe, dass ihr sehen könnt!

Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest.“ (Offb 3,18)