Aktives Nichtstun

Christen reden davon, ihr Leben dem Herrn übergeben zu haben. Aber für wie lange? Für die nächsten fünf Minuten? Dann übernimmt wieder das eigene Ich das Ruder? – Wer es wirklich ernst meint, wird die Minuten, da man bereit ist, Gott wirken zu lassen, und in denen in der Regel nichts geschieht (keine Erleuchtung, keine Idee, was zu tun ist, kein Impuls), immer mehr ausdehnen. Denn dann, wenn man wirklich zur Ruhe kommt und nicht bereit ist, sich ablenken zu lassen, kann erst Gott wirken. Dann kommen Erinnerungen, Gedanken hoch, denen man aber nicht, oder wenigstens nicht zu lange, nachhängen sollte. Vor allem nicht, wenn sich die Gedanken und Erinnerungen nicht auf die Wahrheit beziehen.

Unser Herz ist unruhig, weil uns bewusst ist, dass wir in der Welt zum Heil unseres Leibes, der bedürftig ist, handeln müssen. Wir meinen, wir könnten nicht einfach dasitzen und die gebratenen Tauben würden uns in den Mund fliegen. Aber genau das sollten wir glauben, damit es wahr wird. Denn Jesus sagte: „Sorgt euch nicht…“ (Mt. 6,25 – 34; Luk. 12,22 – 30). Wer zu Ruhe und Frieden kommen, also das Himmelreich erfahren will, muss darauf vertrauen, dass Gott handelt, wenn wir nicht handeln. Aber Vertrauen, Glauben erlangt man nicht auf Befehl oder durch einen einfachen Willensentscheid. Man kann sich nicht einfach hinsetzen und sagen, jetzt mache ich mal nichts und werde mal sehen, was Gott für meine Mittagsmahlzeit tut. So funktioniert das nicht!

Wer wirklich vertraut, der spürt, dass er ruhig bleiben darf, weil Hilfe eintreten wird. Es geht nicht darum, dass wir kopfgesteuert irgendwelche Vorsätze fassen, die erfüllt werden sollen. Wir wissen ja überhaupt nicht, wessen wir wirklich bedürfen, noch wie sich irgendwelche Probleme lösen lassen. Der Kopf ist allerdings nicht um Antworten verlegen. Aber das ist alles oberflächlich, nicht wirklich lösend, erlösend. Programme sind immer schnell zur Hand: Wir müssen uns zusammenschließen zu Bibel und Bekenntnis, wir müssen mehr Hölle predigen, wir müssen…

Nein, das wichtigste ist, zu begreifen, dass wir ewige Wesen, ja das Leben im tiefsten Sinne selbst sind, und wir deshalb grundsätzlich keinen Mangel leiden. Ein Gott hat keinen Mangel. Das ist die Basis für das Denken und den Glauben eines Christen, die dadurch immer mehr zur Erfahrung wird. Wo aber kein Mangel ist, kann man zur Ruhe kommen. Ein solcher kann mit Laotse sagen: „Durch Nichtstun wird alles getan.“

Das ist für uns Abendländer schwer zu begreifen, weil wir auf Aktivität, auf Fleiß programmiert wurden. Der Calvinismus hat da, mit seiner Wertschätzung der Arbeit, viel Schaden angerichtet. Aber noch heute gibt es kontemplative Orden, die das Nichtstun pflegen. Aber möglicherweise ist das Leben in diesen zu sehr ritualisiert, sodass das Vertrauen ins Leben dadurch doch noch zu sehr behindert wird.

So wie eine Zelle unseres Körpers sicher sein kann, dass sie stets mit allem versorgt wird, was sie benötigt, sollten wir vertrauen lernen, dass alles uns stets zum Besten ist. Wozu, wenn das Leben selbst ununterbrochene Aktivität ist (wir müssen nichts tun, um den Blutkreislauf in Bewegung zu halten; automatisch atmen wir ein und aus), sollten wir an der Idee festhalten, wir kämen um, wenn wir nicht aktiv in diese Welt eingriffen?

Lasst uns Abstand gewinnen von uns selbst, damit wir sehen, was uns umtreibt, und wir durch die Liebe zum einzig wertvollen, dem Ewigen, dem Leben an sich, von unseren vermeintlichen Pflichten und unserer Flucht in vergnügliche Ablenkungen frei werden. Das Leben wird dann zu einem immerwährenden Fest.

Von der Freude, sich heiligen zu können

Wie froh und dankbar bin ich doch, dass ich mich in all den Jahrzehnten meines Christseins in der Wahrheit heiligen (Joh. 17,17) konnte. Was für eine Befreiung! Was für ein Glück! Was für eine Freude!

Heiligung ist keine Last, sondern eine Entlastung des Daseins (Mt. 11,30). Das Dasein stellt uns vor „eiserne“ Notwendigkeiten und ist damit für einen jeden Menschen fordernd. Das fängt damit an, dass wir als Kind den Eltern gehorsam sein sollen. Es setzt sich fort mit den Anforderungen der Schule und mündet in den sogenannten „Ernst des Lebens“. Nun ist unser Leben hauptsächlich von Mühe und Arbeit gekennzeichnet. Hinzu kommen nicht selten diese oder jene Sorgen. Das alles macht uns mehr oder weniger krank.

Und dahinein schallt der Ruf von der Erlösung, von der Möglichkeit eines immer sorgloseren Lebens (Mt. 6,25)! Von der Möglichkeit, die Kindheit (Mt. 18,7), die Gesundheit zurück zu erlangen. Was für eine Chance!

Ein solches Leben ist aller Mühe wert! Was sind dagegen die „Schätze“ dieser Welt? Was Karriere, Eigenheim, Status, Wohlstand, für die sich die unwissenden Menschen plagen? – Aber in der Heiligung wirke ich nicht für vergängliche Werte, sondern schaffe nicht nur für die Gegenwart und nahe Zukunft, sondern für alle Zeiten Bleibendes (Mt. 6,20)!

Weshalb sollten wir denn immer nur zu Nichtigem, zu Unsinn fähig sein? Weshalb sollte es uns nicht vergönnt sein, Gutes, Heilsames zu tun? Dazu sind wir doch geschaffen (Eph. 2,10)!

Nur sinnvolles Tun befriedigt. Alles andere zerstört die menschliche Seele und den Leib! Ich habe es selbst in meiner Jugend erfahren, wie zerstörend Sinnlosigkeit und Hoffnungslosigkeit sind! Wie sie geradewegs in die Hölle führen…

Mit vierzehn Jahren erlebte ich den Schock meines Lebens! Plötzlich war alles zu Ende! Noch sieben Jahre etwa hätte ich zu leben unter der Last einer unheilbaren und ansteckenden Krankheit!

Was für eine Qual! Keine Liebe…, – zu der das Sehnen in diesem Alter aufbricht! Wie ertragen, unter Menschen zu sein mit diesem „Wissen“? Mein Schreien zu Gott – vergeblich! Ich konnte nur verdrängen…Diese „Wahrheit“ vergessen. Aber das funktioniert natürlich nicht. Verdrängtes kommt auf andere Weise wieder ans Licht. Und so hatte ich bald einen „Engel“, der mich immer dann mit „Fäusten“ schlug, wenn es mir am wenigsten passte! Dann die Nötigung in einen Beruf, den ich mir beileibe nicht ausgesucht hätte! Was soll dieses sinnlose, verfluchte Leben?!!! Die Depressionen wuchsen. Aber immer noch hatte ich Kraft, mich zu verlieben. Damit kam neuer Kummer. Ich war am Ende! Genau nach sieben Jahren! – Doch statt des physischen Todes kam der Neuanfang! Aber ich war ein seelisches Wrack!

Schnelle Lösungen gab es auch jetzt nicht. Ich baute mich auf durch Bibelstudium, durch wachsende Erkenntnis der Wahrheit. Nur so konnte ich die Schatten der Vergangenheit allmählich überwinden. Hätte ich diese Möglichkeit nicht gehabt, so hätte der Neuanfang schnell geendet.

Dass ich heute noch lebe, und zwar glücklich, habe ich der Heiligung zu verdanken. „Was, dieser fröhliche Mensch soll Depressionen gehabt haben?“ staunte eine Dame als ich auf einer Freizeit meine Geschichte erzählte. Der, der sich nicht mehr aus dem Haus traute, bereiste mit dem Rucksack die Welt! Der stumpfsinnig Gewordene, wurde zum begeistert Interessierten!

Mein Fazit:

Heiligung bringt das Himmelreich ins persönliche Dasein.

Heiligung lässt uns teilhaben an der Leichtigkeit des Seins.

Die Logik der Erlösung

Die Grundlage von allem

Im Februar 2014 las ich mein erstes und bisher einziges Werk des Philosophen Johann Gottlieb Fichte (*19. Mai 1762; †29. Januar 1814) mit dem Titel Die Anweisung zum seligen Leben oder auch die Religionslehre“(1806). Seine Darlegung der Lehre erscheint heute etwas umständlich und die Sprache recht antiquiert. Trotzdem lohnt es sich, seinen Gedanken, wie ich sie hier auszugsweise wiedergebe, zu folgen, da sie eindeutig belegen, dass Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit fähig sind.

Mir selbst wurde Jahre vor dieser Lektüre klar, dass das Leben an sich der Ursprung aller Dinge ist. Das Leben ist natürlich unpersönlich, hat aber die Tendenz zur Bewusstwerdung und damit zur Bildung von Bewusstseinszentren. Ein persönlicher Gott ist deshalb ein Wesen, in dem sich das Leben seiner selbst als Leben bewusst geworden ist. Er ist also erst ein Produkt des Lebens.

Nur das unpersönliche Leben ist allgegenwärtig und ewig.

Diese Wahrheit hatte auch schon Fichte erkannt und ebenso den einzigen Weg zur Glückseligkeit, den „schmalen Weg“ (Mt 7,14). Aber lassen wir ihn selbst zu Wort kommen.

Fichte setzt Sein und Leben gleich: Sein, sage ich, und Leben ist … Eins und dasselbe. Nur das Leben vermag, selbstständig, von sich und durch sich selber, dazusein.“

Das Leben wird damit als ewig definiert. Der Tod lediglich als etwas, das auf der Grundlage des Lebens erwachsen kann:so wie Sein und Leben Eins ist und dasselbe, ebenso ist Tod und Nichtsein Eins und dasselbe. Einen reinen Tod aber und reines Nichtsein gibt es nicht.“

Fichte sieht also das Leben an sich als die Grundlage, den Ursprung aller Dinge an. Aus ihm hat sich alles Raum-Zeitliche, also das Vergängliche, dem „Tod“ Zustrebende entwickelt.

Fragt man nun, was vor dem von der Wissenschaft postulierten Urknall war, dann lautet die Antwort : davor war das Leben!

Der „Tod“ ist also nur etwas Scheinbares:Einen reinen Tod aber und reines Nichtsein gibt es nicht, wie schon oben erinnert worden. Wohl aber gibt es einen Schein, und dieser ist die Mischung des Lebens und des Todes, des Seins und des Nichtseins.“

Fichte führt nun nicht aus, wie es zu einer solchen Vermischung von Sein und Nichtsein kommt. Deshalb möchte ich das aus meinen Erkenntnissen ergänzen.

Aus der Betrachtung des organischen Lebens wird deutlich, dass das Leben unaufhörliche Bewegung ist. Außerdem wissen wir, dass das Leben irritabel ist und damit die Tendenz zur Bewusstwerdung seiner selbst besitzt. Diese ewige Prozesshaftigkeit muss folglich Schöpfungen zum „Zweck“ der Bewusstwerdung des Lebens hervorbringen. Also das Raum-Zeitliche. Aber in jeder solchen Schöpfung/Begrenzung ist wieder das ursprüngliche sich seiner selbst unbewusste Leben tätig, und zwar – wie könne es auch anders sein? – mit der gleichen Tendenz!

Wir sehen deshalb ausgehend vom rein Mineralischen, also dem Stein, eine aufsteigende Linie der Bewusstwerdung des Lebens über Pflanze und Tier zum Menschen hin. Natürlich nur dadurch, dass es sich zunächst mit seiner Lebensform identifizierte. Da die Formen aber selbst vergänglich sind, zittert in ihnen das Leben um seiner selbst vor einem vermeintlichen Nichtsein. Dass dieses nur die Formen betrifft, kann es nur im Menschen begreifen, und da nur in denen, die in der Lage sind, tief genug zu reflektieren. Solange also das Leben sich mit der ihm jeweils eigenen Lebensform identifiziert, ist es gehindert, sich seiner selbst als (ewiges) Leben bewusst werden zu können. Vielmehr ist es mit den sie umgebenden Lebensformen beschäftigt, nämlich inwieweit diese ihm nützlich oder schädlich sein könnten. Das Leben ist sich da also seiner selbst entfremdet, ist nicht bei sich.

Die einzige Möglichkeit, wie der Mensch glücklich werden kann

Demzufolge kann der Mensch, der seine Befriedigung noch in den Objekten des Daseins sucht, niemals wahrhaft glücklich werden. „Der Grund alles Elendes unter den Menschen ist ihre Zerstreutheit in dem Mannigfaltigen und Wandelbaren;“

Was ein solcher Mensch „Leben“ nennt, ist deshalb nur ein Scheinleben. „ Das blosse Scheinleben [ist] versucht zu lieben…das Vergängliche in seiner Vergänglichkeit.

Das Scheinleben lebt nur in dem Veränderlichen, und bleibt darum in keinen zwei sich folgenden Augenblicken sich selber gleich; jeder künftige Moment verschlingt und verzehrt den vorhergegangenen; und so wird das Scheinleben zu einem ununterbrochenen Sterben, und lebt nur sterbend, und im Sterben“ [ vgl. Eph. 2.1,5; Kol 2,13; 1. Tim 5,6].

Sonach ist der Zustand des Seligwerdens die Zurückziehung unserer Liebe aus dem Mannigfaltigen auf das Eine.“ Das geschieht mittels der Liebe zum Ewigen.

Die einzige und absolute Bedingung des seligen Lebens sei die Erfassung des Einen und Ewigen mit inniger Liebe und Genuss“ [vgl. Mk 12,30].

Erst durch solche Konzentration wird der Mensch „kernig“, stark.

Alle innere geistige Energie erscheint im unmittelbaren Bewusstsein derselben, als ein sich Zusammennehmen, Erfassen und Kontrahieren seines ehedem zerstreuten Geistes in Einen Punkt, und als ein sich Festhalten in diesem Einheitspunkt gegen das stets fortdauernde natürliche Bestreben, diese Kontraktion aufzugeben, und sich wiederum auszudehnen. Also, sage ich, erscheint schlechthin alle innere Energie; und nur in diesem sich Zusammennehmen ist der Mensch selbstständig, und fühlt sich selbstständig. Ausser diesem Zustand der Selbstkontraktion verfliesst er eben und zerfliesst, und zwar keinesweges so, wie er will und sich macht (denn alles sich machen ist das Gegenteil des Zerfliessens, die Kontraktion), sondern so wie er eben wird, und das gesetzlose und unbegreifliche Ohngefähr ihn gibt. Er hat demnach in diesem letzteren Zustand gar keine Selbstständigkeit, er existiert gar nicht als ein für sich bestehendes Reales, sondern bloss als eine flüchtige Naturbegebenheit. Kurz, das ursprüngliche Bild der geistigen Selbstständigkeit ist im Bewusstsein ein ewig sich machender und lebendigst sich haltender, geometrischer Punkt: das ebenso ursprüngliche Bild der Unselbstständigkeit und des geistigen Nichtseins, eine unbestimmt sich ergiessende Fläche. Die Selbstständigkeit kehrt der Welt eine Spitze zu; die Unselbstständigkeit eine stumpf ausgebreitete Fläche.

In dem ersten Zustande allein ist Kraft und Selbstgefühl der Kraft; darum ist auch nur in ihm eine kräftige und energische Auffassung und Durchdringung der Welt möglich.“

Jesus drückte diese Wahrheit so aus: „wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“ (Mt 12,30)

Dieses Anhaften am Ewigen, des Leben an sich, ist folglich der Mittelpunkt des erwachten Menschen. Es ist das Aufhören der Identifikation des Lebens mit der Form. Nun da sich das Leben im Menschen selbst erkannt hat, ist es die Identifizierung des Lebens mit sich selbst. Wie Jesus kann ein solcher Mensch (sich) sagen: „Ich bin das Leben“ (Jo 14,6). Nicht mehr und nicht weniger! Das Leben ist Nichts im Sinne von Gestaltung, aber damit Alles, da es die große Offenheit, die absolute Freiheit ist. Während eben jede Form Beschränkung darstellt.

Deshalb fasst Fichte die Weisheit, die ein jeder Mystiker kennt, in die Worte „Solange der Mensch noch etwas für sich selbst sein will, kann das wahre Sein und Leben in ihm sich nicht entwickeln, und er bleibt eben darum auch der Seligkeit unzugänglich; denn alles eigene Sein ist nur Nichtsein und Beschränkung des wahren Seins; und eben darum, entweder auf dem ersten Standpunkt der Sinnlichkeit, die ihr Glück von den Objekten erwartet, lauter Unseligkeit, da durchaus kein Objekt den Menschen befriedigen kann.“

Falsche Erwartungen der Gläubigen

Aus dieser Wahrheit heraus beleuchtet er auch die weitverbreiteten aber deshalb nicht weniger falschen Vorstellungen eines ewig seligen Lebens nach dem Tod, wie es angeblich der Gläubige erwarten könne.

Es hilft auch nichts, dass man diese Glückseligkeit recht weit aus den Augen bringe und sie in eine andere Welt jenseits des Grabes verlege; wo man mit leichterer Mühe die Begriffe entwirren zu können glaubt. Was ihr über diesen euren Himmel auch sagen (…) mögt: so beweiset doch schon der einzige Umstand, dass ihr ihn von der Zeit abhängig macht und ihn in eine andere Welt verlegt, unwidersprechlich, dass er ein Himmel des sinnlichen Genusses ist. Hier ist der Himmel nicht, sagt ihr: jenseits aber wird er sein. Ich bitte euch: was ist denn dasjenige, das jenseits anders sein kann, als es hier ist? Offenbar nur die objektive Beschaffenheit der Welt, als der Umgebung unseres Daseins Die objektive Beschaffenheit der gegenwärtigen Welt demnach müsste es eurer Meinung zufolge sein, welche dieselbe untauglich macht zum Himmel, und die objektive Beschaffenheit der zukünftigen das, was sie dazu tauglich macht; und so könnt ihr es denn gar nicht weiter verhehlen, dass eure Seligkeit von der Umgebung abhängt, und folglich ein sinnlicher Genuss ist. Suchtet ihr die Seligkeit da, wo sie allein zu finden ist, rein in Gott und darin, dass er heraustrete, keinesweges aber in der zufälligen Gestalt, in der er heraustrete; so brauchtet ihr euch nicht auf ein anderes Leben zu verweisen: denn Gott ist schon heute, wie er sein wird, in alle Ewigkeit.“

Der Erlöste

Wer wirklich glücklich werden will, wendet also seinen Blick vom Äußeren aufs Innere. Der sich mit dem Ewigen Identifizierende kennt „keine Furcht über die Zukunft, denn ihn führt das absolut Selige ewig fort derselben entgegen; keine Reue über das Vergangene, denn inwiefern er nicht in Gott war, war er nichts, und dies ist nun vorbei, und erst seit seiner Einkehr in die Gottheit ist er zum Leben geboren; inwiefern er aber in Gott war, ist recht und gut, was er gethan hat. Er hat nie etwas sich zu versagen, oder sich nach etwas zu sehnen, denn er besitzt immer und ewig die ganze Fülle alles dessen, das er zu fassen vermag. Für ihn ist Arbeit und Anstrengung verschwunden, seine ganze Erscheinung fliesst lieblich und leicht aus seinem Innern, und löst sich ab von ihm ohne Mühe. Er ist „des Schmerzes, der Mühe, der Entbehrung frei.“ „Worin seine Seligkeit selbst positiv bestehe, lässt sich [allerdings] nicht beschreiben, sondern nur unmittelbar fühlen.“

Sind der „schmale Weg“ und die „enge Pforte“ noch von Bedeutung?

Vielfach wird der Eindruck erweckt, dass man als Sünder, ohne also den schmalen Weg der Überwindung der Sünde gehen zu müssen, allein durch einen Gnadenakt Gottes in den Himmel kommen könne. Es genüge lediglich, sein allgemeines Sündigsein zu erkennen und zu bereuen. Dann schließe einen Gott freudig in seine Arme. Doch stimmt das?

Wenn ich mich verbrannt habe, weil ich meine Hand auf einen heißen Gegenstand legte, genügt es dann zu bereuen, dass ich das tat? Sind durch diese Reue die Schmerzen weg? Habe ich, wenn ich das beim nächsten Mal wieder tue, keine Schmerzen mehr ? Oder sollte die Reue nicht beeinhalten, dass ich eine solche Tat nicht wiederhole? – Was an diesem Beispiel ganz offensichtlich ist, leugnen wir in Bezug auf die Sünde.

Dadurch, dass ich meine Sünden bekenne und bereue, sind keinesfalls die Folgen der Sünde getilgt. Wenn also meine Sünde eine bestimmte Krankheit hervorrief, z.B. bei übermässigen Alkoholkonsum einen Leberschaden, so ist er damit nicht automatisch beseitigt. Reue ist lediglich ein Moment des Innehaltens im bisherigen Tun, ein Abstandnehmen von ihm, um sich in seinem Handeln neu zu orientieren. Jede Sünde – was ja nichts anderes ist als falsches Tun – hat negative Folgen. Deshalb kann es gar keinen anderen Weg geben als das Richtige zu tun!

Die Ursachen menschlichen Leides liegen eben im Menschen selbst, und deshalb kann eben nur jeder für sich allein seine eigenen Ursachen des Leides aufheben. Kein Mensch kann das für einen anderen tun. Auch Gott kann das nicht für dich tun.

Deshalb sind Himmel und Hölle keine Orte, die unabhängig vom Menschen existieren, sondern Lebensqualitäten. Man trägt so viel Himmel in sich, wie man Gutes, und so viel Hölle in sich, wie man Falsches in in sich trägt. Welche Qualitäten in welchem Maße man in sich birgt, kann im Erdenleben verdeckt sein. Da kann es einem Sünder so gut gehen, dass ein Frommer darauf neidisch werden könnte (Ps 73,2-4). Doch spätestens nach dem Tod werden die Folgen eines jeden Tuns offenbar. Kein Gnadenakt Gottes kann daran etwas ändern!

Aus allem Gesagten dürfte – wenn es verstanden wurde – hervorgehen, dass die Fülle des Lebens, die Herrlichkeit des Lebens, die ewige Glückseligkeit nur durch vollkommene Sündlosigkeit erreicht werden kann. Denn wenn man annähme, der Himmel sei ein harmonischer Ort menschlichen Zusammenlebens, dann muss doch ein solcher Himmel sofort unvollkommen werden, wenn nur ein Mensch mit der Veranlagung zur Sünde Eintritt fände. Denn um sich wirklich wohl zu fühlen, würde es den Sünder drängen, seine Sünde auszuleben. Er würde damit die Gemeinschaft stören.

Nun hört man heute immer wieder, man könne, zumindest auf Erden, nicht sündlos werden. Die Frage entsteht, wo will man es dann werden? Auf die Erde wurde doch das Evangelium gebracht, damit wir hier die Errettung annehmen!

Die freudige Botschaft lautet: Es gibt einen Weg aus allem Leid. Wir sind nicht verurteilt, immer leiden zu müssen. Aber den Weg müssen wir natürlich auch bis zu ENDE gehen!

Er beginnt damit, dass ich mich mit meiner göttlichen Natur (1. Jo 3,9) identifiziere und damit die bisherige Identifikation als ein Geschöpf unter vielen Geschöpfen überwinde. Denn mit der Identifikation mit dem sinnlich-wahrnehmbaren Leib ist man automatisch von Gott getrennt und damit der Existenzangst unterworfen. Für ein Geschöpf gibt es immer etwas, das stärker, mächtiger, größer, intelligenter usf. ist. Doch wenn ich göttlicher Natur bin, dann bin ich unüberwindbar.

Deshalb besteht der Weg eines Kindes Gottes, analog eines Menschenkindes, zur vollen Reife, d.h. zur vollen Entfaltung des göttlichen Wesens zu kommen (Eph, 4,13; Rö 8,29). Erst wenn man alle Abhängigkeiten vom Äusseren überwunden hat, kann man durch die „enge Pforte“ (Lk 13,24) ins Himmelreich gelangen. Erst dann hat sich alles Gute voll entfaltet.

Der Weg des Lebens ist durch den physischen Tod nicht beendet. Mit dem Tod ist nicht, wie man häufig denkt, das Ziel erreicht! Denn um physisch zu sterben, muss man keinen Weg gehen. Wenn der Tod die enge Pforte wäre, stellte das für Niemanden eine Schwierigkeit dar. Nein, der physische Tod ist selbst noch ein Fortwirken der Sünde weil der Mensch noch nicht die entsprechende Heiligkeit erlangt hat (1. Kor 15,26).

Was heißt es, an „Jesus zu glauben“ ?

Kein Wort ist vielleicht so vielen Missverständnissen ausgesetzt, wie der Begriff „Glaube“. Dazu haben die Kirchen und Gemeinden erheblich beigetragen. Heute versteht man darunter in der Hauptsache nur: etwas für wahr halten, eine Sache für zutreffend halten, obwohl sie der – zumindest eigenen – Erfahrung widerspricht. So haben viele Christen keine Schwierigkeit, an die Jungfrauengeburt oder die Wunder Jesu zu glauben. Schwierig wird es erst, wenn man daran glauben soll, dass man z.B. von der eigenen Krankheit durch Glauben gesund werden, oder, dass man durch Glauben wesentliche Veränderungen in der eigenen Psyche hervorrufen kann. Allein Veränderung ist Sinn und Zweck des Glaubens! (Hebr. 11,1)

So zeigt sich letzten Endes, dass Christen nicht viel gläubiger sind als Nichtchristen. Der Bibel zu glauben, ohne dass sich das eigene Leben dadurch tiefgreifend ändert, ist nichts anderes als Leichtgläubigkeit. Er steht auf einer Stufe mit dem, der an Zeitungshoroskope glaubt.

UNGLAUBE, der sich fromm maskiert, ist das größte Problem der heutigen Christenheit.

Was der Leichtgläubige will

Wie in vorchristlichen Zeiten bittet man Gott um nichts anderes, als um sein Wohlwollen in persönlichen Angelegenheiten, und im übrigen meint man, durch oben genannte Leichtgläubigkeit, die man Bekenntnis zu Bibel und Jesus nennt, in den Himmel zu kommen. Andere aber, die möglicherweise gewissenhafter und liebevoller sind als man selbst, bescheinigt man, in der Hölle zu landen, da sie nicht an Jesus glauben. Doch bei Gott gilt kein Ansehen der Person (Rö 2,11), d.h. er ist objektiv. Es wird also niemand bevorzugt, weil er „an Jesus“ glaubt, sondern ein jeder Mensch wird nach seinen Werken gerichtet, nämlich nach dem, was er faktisch ist (Rö 2,6). Denn das Tun macht den Menschen. Durch dieses unterscheidet sich ein jeder vom anderen.

Im christlichen Glauben geht es nicht um ein Leben nach dem Tod. Das hatten die Menschen schon immer, sondern um ein vom Tod, und das heißt ein vom Irrtum, und damit von Zielverfehlungen befreites Leben (Rö 8,6).

Der tiefste Antrieb

An Jesus zu glauben heißt also, zu werden wie er! (Rö 8,29; 2. Ko 3,18, Eph 4,14) Das aber ist allein möglich, wenn man wirklichen Glauben hat, und nicht nur leichtgläubig ist.

Voraussetzung dafür ist aber, dass dieses Ziel überhaupt für mich attraktiv ist und ich es für erreichbar halte. Sonst werde ich mich überhaupt nicht ausreichend damit beschäftigen, sondern mein Interesse anderen Dingen zuwenden. Ich muss also motiviert sein!

Motiviert für etwas, ganz gleich, was es ist, ist der Mensch aber nur dann, wenn das Ziel den eigenen Wünschen entspricht.

Wie aber kann in mir überhaupt ein Wunsch danach, wie Jesus zu werden, entstehen? Das ist nur möglich, wenn ich erkenne, dass das alle Probleme, die ich als Mensch habe, löst.

Um das zu erkennen, ist wiederum Selbsterkenntnis nötig. Ich kann Ihnen schon jetzt sagen, dass alles Handeln eines jeden Menschen kein anderes Ziel hat, als Lust zu erleben und Unlust zu vermeiden, oder anderes ausgedrückt, positive Zustände zu haben, negative zu meiden. Kurz: Ein jeder will glücklich werden und bleiben (1. Petr. 1,9).

Das hatte auch Nietzsche sehr gut erkannt, wie dieses Gedicht zeigt :

Doch alle Lust will Ewigkeit

O Mensch! Gib acht!

Was spricht die tiefe Mitternacht?

„Ich schlief, ich schlief -,

Aus tiefem Traum bin ich erwacht: –

Die Welt ist tief,

Und tiefer als der Tag gedacht.

Tief ist ihr Weh -,

Lust – tiefer noch als Herzeleid:

Weh spricht: Vergeh!

Doch alle Lust will Ewigkeit -,

– will tiefe, tiefe Ewigkeit!“

Gott gibt dem Menschen nicht ein Ziel, das der Mensch überhaupt nicht anstrebt, sondern er zeigt, wie der das tiefste Ziel – und von dem er gar nicht lassen kann – tatsächlich erreicht! Gottes Wille und Menschenwille sind zutiefst eins.

Wenn Sie das begreifen, ist schon die größte Hürde genommen, die Sie bisher hinderte, überhaupt an Jesus zu glauben oder als Erlöster zu leben. Ewiges Wohlbefinden ist eines jeden Menschen Ziel, und das kann eben nur verwirklicht werden, wenn man selbst ewig ist, denn von allem anderen ist man ja getrennt. In der sich stets erneuernden Freude darüber finden Sie die Kraft, sich von allen Wünschen, die sich auf raum-zeitliche Dinge beziehen, zu lösen.

Solange Sie aber nicht durchschauen, dass Ihre Wünsche, Ihre Vorlieben und Abneigungen in Bezug auf die Dinge dieser Welt nichts mit den Dingen selbst zu tun haben, sondern nur Projektionen ihrer Bewertungen sind, bleiben sie im Kreislauf der Vergeblichkeit gefangen, wenn sich auch hin und wieder ein Wunsch erfüllen mag. Was es auch in der Welt geben mag – nichts davon kann Sie glücklich machen. Nicht in den Gegenständen dieser Welt, einschließlich der Menschen, die sie lieben, steckt das Begehrenswerte. Alles ist nichtig und wertlos. Die Welt kann Sie nur enttäuschen – und das ist gut so!

Das Glück, die Erfüllung ist immer schon dagewesen, immer schon da und wird immer bleiben. Sie selbst, als ewiges Wesen, sind das Glück, die ewige Glückseligkeit. Nun müssen Sie nicht mehr suchen, können Sie die Welt und alle Dinge in ihr, einschließlich der Menschen, loslassen – und jetzt, da Sie nicht mehr durch die Wechselfälle des Dasein gestört und beunruhigt oder gar unglücklich gemacht werden, haben Sie ewigen Frieden und ewige Ruhe, von der die Bibel spricht. Jetzt haben Sie allumfassende, göttliche Liebe!

Zu werden wie Er bedeutet also in erster Linie nicht, herumzugehen und Menschen heilen, zu predigen oder Wunder zu tun, sondern erst einmal mit sich selbst , mit Gott und der Welt im Reinen sein, heil und ganz zu werden – zuerst nach der Seele und durch diese auf den Leib.

Jesus, der Christus – traditionslos

Die meisten Menschen, die sich heute als Christen sehen, sind in einer noch nie dagewesenen Weise zerstritten und deshalb verwirrt. Da hilft es, einen traditionslosen Blick auf Jesus Christus, also unabhängig von Bibel, Kirchengeschichte und „Glauben“ zu werfen. Nur durch einen unverstellten Blick können wir wieder neuen Zugang zur herrlichen Wahrheit des Evangeliums finden.

Die Menschheit ist dem Leiden unterworfen. Es gibt keinen einzigen Menschen, der das Leiden nicht kennt. Deshalb sehnen sich alle Menschen nach Befreiung von diesem. Alle Menschen wollen nichts anderes als glücklich sein.

Tiefe Denker sehen übereinstimmend das Urproblem des Menschen im Rätsel des Todes. Schopenhauer schrieb sogar: „Der Tod ist der eigentliche inspirierende Genius, (…)der Philosophie. Schwerlich sogar würde, auch ohne den Tod, philosophiert werden.“ Auch gilt die Todesstrafe von jeher als die schwerste.

Alle Angst des Menschen ist letztendlich Todesangst, d.h. Angst vor der Vernichtung. Nur um dem Tod zu fliehen, ist der Mensch feige, und nimmt er alle Unterordnungen, alle Sklaverei und Quälerei, alle Anpassungen an die Gesellschaft auf sich, winselt er wie ein Hund um Erbarmen.

Im Umkehrschluß hätte alles Leiden ein Ende, wäre das Dasein ewige Freude, wenn es keinen endgültigen Tod gäbe.

Der Tod ist das Problem und ewiges Leben wäre die Lösung des Problems. Nichts anderes!

Nun wird seit 2000 Jahren behauptet, dass ein Mensch den Tod besiegt hätte. Wenn wir davon ausgehen, dass das tatsächlich der Wahrheit entspricht, dann ist das doch die größte Sensation, die es gibt; das wichtigste Ereignis in der Menschheitsgeschichte!

Hätte Jesus vor 2000 Jahren nicht den Tod besiegt, stünde so ein Ereignis noch aus, damit endgültig die menschlichen Probleme – also alle ohne Ausnahme – gelöst werden könnten.

Damit hat die Auferstehung eine existentielle Bedeutung für einen jeden Menschen. Denn was einmal einem Menschen gelang, das kann auch jedem anderen gelingen!

Was ist der Tod?

Der Tod ist in erster Linie eine Bewusstseinsangelegenheit. Ein Mensch im Tiefschlaf weiß nichts vom Leben und nichts vom Tod. Deshalb kennt ihn das Tier nicht. Allmählich erst wurde sich der Mensch des Todes bewusst, je mehr er erwachte.

Das bisher älteste Dokument menschlicher Angst vor dem Rätsel des Todes entstammt dem dritten Jahrtausend vor Christus. Es ist das sumerische Gilgamesch-Epos. An der Leiche seines Freundes Engidu stellt sich der Held die verzweifelte Frage: „Was ist das nun für ein Schlaf, der dich gepackt hat?“ und gesteht: „Todesfurcht überkam mich.“

Wenn wir also der Überlieferung vertrauen, dass es einem Menschen gelang, den Tod zu überwinden, dann kann es den Tod – als ein zu Nichts werden – nicht wirklich geben. Dann ist er nicht ein Faktum, sondern eine Täuschung, der der Mensch bisher unterlag.

Den Tod als Irrtum zu durchschauen, ist geistige und seelische Befreiung des Menschen. Denn wenn es den Tod nicht wirklich gibt, dann muss ich mich nicht länger ängstigen. Dann kann mich nichts mehr bedrohen. Dann bin ich absolut frei. Dann muss ich mich keiner Macht des Universums mehr unterordnen, denn ich bin ewig! Dann bin ich eins mit Gott!

In diesem herrlichen Bewusstsein, in dieser herrlichen Freiheit zu leben, verändert mich grundlegend, denn es löst alles das auf, was aus dem Irrtum, dem Tod unterworfen zu sein, entstand. Es befreit von allem Leid und aller Krankheit und gibt mir Herrschaft über die Materie.

Grenzenlose Perspektiven in jeder Hinsicht haben sich eröffnet!

Wenn es also wahr ist, dass ein Mensch den Tod besiegt hat, dann konnte der Sieg nur auf der Grundlage geschehen, dass das Leben an sich ewig ist, und dieser Mensch von dieser Tatsache wusste. Nur so konnte er in dem Bewusstsein leben, das wir erst angesichts seines Sieges über den Tod durch die gläubige Reflexion der Auferstehungstatsache gewinnen können.

Nun schlagen wir den Bogen zur jüdisch-christlichen Tradition. Das Pfingstereignis der Apostel war nichts anderes, als dass den Betenden aufging, was die Auferstehung für den Menschen und das jüdische Geistesleben bedeutete. Für den Menschen bedeutete es völliges Heil und damit das Ende aller Versuche, aus einem Bewusstsein der Vergänglichkeit Gutes zu erlangen.

Es gibt kein Heil, solange der Mensch im Bewusstsein lebt, er sei in irgendeiner Weise begrenzt und es gäbe etwas, das grundsätzlich Macht über ihn hätte.

Wer weiter im Gegensatz Gott-Mensch lebt, wird weiterhin die Früchte des Todes ernten. Wer aber weiß, dass nichts über ihn Macht hat, wird die unendliche Kraft des Lebens sich auswirken lassen.

Das hat nichts damit zu tun, dass man vor Gott aus eigener Kraft gerecht werden will, sondern man ist dadurch dem Leben gerecht.

Himmel und Hölle

Die subjektiven Wertungen

 

Nehmen wir an, Sie befinden sich in einem Dschungel Lateinamerikas und hören plötzlich ein lautes Brüllen. Wenn Sie dieses nicht sofort identifizieren können, befinden Sie sich in Alarmbereitschaft. Ihre ganze Aufmerksamkeit wird davon gefesselt. Ist es ein Jaguar? Was ist es? – Bis Ihnen einfällt, es ist ja nur ein Brüllaffe. Nun können Sie wieder unbesorgt Ihres Weges ziehen. Sie hören zwar immer noch das Brüllen, aber es hat keine Bedeutung mehr für Sie.

Ein anderes Beispiel: Neben Ihrem Bett tickt ständig der Wecker. Das stört Sie aber nur, wenn Sie direkt darauf achten und eigentlich schlafen wollen. Sonst hören Sie ihn nicht einmal. Auch hier wird Ihre Aufmerksamkeit nur gefesselt, wenn Sie dem Ticken eine persönliche Bedeutung beimessen, nämlich, dass es in der Lage sei, Sie wach zu halten.

Dadurch, dass wir die Signale unserer Umwelt deuten, bekommen sie für uns erst eine Bedeutung. Mit dieser ganz persönlichen Deutung des Geschehens um uns herum, oder auch des in unserem eigenen Inneren vorgehenden, also der Körperempfindungen, schaffen wir unser eigenes Gut und Böse, Positiv und Negativ. Das alles entsprechend dem, ob es unserem eigenem Wollen dient, oder ihm entgegensteht.

Das Negative an sich gibt es nicht. Uns begegnet im Leben nichts Negatives, sondern immer nur etwas, das unserem ganz persönlichen Wollen, wenn nicht immer, so doch im gegebenen Augenblick unerwünscht ist. Das ist dann das, was wir ganz persönlich negativ werten.

Das ist ganz wichtig zu wissen. Denn niemand kann uns von unseren Wertungen und damit von der Art des Erlebens befreien, als nur wir selbst. Auch Gott kann das nicht für uns tun. Jeder kann nur für sich, indem er ganz aufmerksam wird, wie er jede Situation im Augenblick bewertet, seine Bewertungen ändern.

Wir halten zunächst fest: Unser Erleben wird von der Bedeutung bestimmt, die wir den Eindrücken der Umwelt geben. Die Bedeutung wiederum fußt auf unseren Wertungen. Die größte Aufmerksamkeit schenken wir dem, was uns in allgemeiner Weise oder im gegebenen Augenblick als wichtig erscheint. Auf einen vermeintlichen Jaguar zu achten, wird nur vorübergehend, die Liebe zu einem unserer Hobbies dagegen, wird anhaltender sein.

Doch wie man es dreht und wendet, das Leben wird uns immer wieder Situationen bescheren, die uns nicht passen. Solange wir unser Glück in einer selektiven Entscheidung für diese oder jene Inhalte der Welt treffen – was jeder Mensch zunächst tut -, werden andere Inhalte der Welt gegen uns sein. Ein dauerhaftes Glück ist auf diese Weise unmöglich zu erlangen.

Im Gegenteil, die Enttäuschungen, die wir erleben, können uns in eine negative Abwärtsspirale führen, sodass man ganz im Negativen gefangen wird. Das ist dann die sogenannte Hölle.

Würde der Mensch lediglich ein Wesen sein, das mit der Geburt seinen Anfang nimmt und mit dem Tod endet, könnten wir diesen Gegebenheiten niemals entrinnen. Wir würden abhängig von unserer Umwelt bleiben. Das wäre der ganz natürliche Zustand.

Der Sinn des Lebens

Aber der Mensch ist nicht Fleisch und Blut, er ist nicht der Körper, sondern er hat einen Körper. Das, was den eigentlichen Menschen ausmacht, ist ewig. Deshalb hat das Leben einen Sinn! Dieser besteht darin, zu lernen, sich mit dem Ewigen zu identifizieren, um so die Abhängigkeiten vom Äußeren, also kurz gesagt, die Welt, zu überwinden, um dauerhafte Freude, dauerhaftes Glück, ewiges Heil zu erlangen.

Wer das ewige Heil erlangen will, dem bleibt nichts anderes übrig, als alle persönlichen Wertungen von Gut und Böse loszulassen und dem Objektiven zu folgen. Das Ewige allein ist Positiv. Sich darüber zu freuen, dass man ewig ist, indem man sich klar macht, was das alles für unser Leben im Hier & Jetzt und überhaupt bedeutet, gibt uns befreiende und weltüberwindende Kraft.

Die Abhängigkeit von der Welt, vom Äusseren, ist das objektiv Negative. Das bedeutet nicht, dass die Schöpfung (also das Äußere) schlecht wäre, sondern nur die Abhängigkeit des Menschen von ihr.

Will man also in den Himmel kommen, so muss man die Wünsche und Vorstellungen immer mehr aufgeben, die sich auf die Inhalte der Welt, also das Veränderliche, beziehen. Das betrifft auch jene Wünsche, die sich darauf beziehen, dieses oder jenes in der Welt gern noch zu erleben oder tun zu wollen. Die Einstellung „Habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist.“( 1. Joh 2,15) ist praktische Notwendigkeit für den Eingang ins Himmelreich.

Wir bleiben vom Äusseren, von den Umständen beherrscht, wenn wir die Welt und ihre Inhalte weiterhin lieben. Wir haben damit unser Glück und Wehe aus unseren Händen gegeben.

Wir erlangen aber wahre Herrschaft und Selbstbestimmung, wenn wir uns an unserer Unvernichtbarkeit – das höchste Gut, das es gibt – erfreuen. Denn durch diese ständig gegenwärtige Erfüllung dessen, was unsere zersplitterte Wunschnatur eigentlich wünscht, gewinnen wir Abstand zu unserer „fleischlichen Natur“ (die sich eben auf die Inhalte der Welt bezieht) und Distanz zur Welt. Es kann uns dann immer mehr egal sein, wie die Welt mit uns umspringt. Wir werden immer ein glücklicher Fels in der Brandung sein. Wir werden zunehmen an innerem und äusserem Heil.

In die gleiche Richtung zielen die Anweisungen „Freuet euch allezeit, abermals sage ich freuet euch!“ (Ph. 4,4) und „Seid dankbar in allen Dingen und für alles!“ (1. Thess. 5,18; Eph. 5,20).

Diese Haltungen übend, werden sie uns immer mehr zur Gewohnheit, sodass unsere Aufmerksamkeit immer mehr vom Positiven gefesselt wird, und damit Wohlfühlen, Freude, Glück, Frieden, Liebe, Gesundheit Beständigkeit erlangen. So bringen wir die Früchte des Geistes (Gal. 5,22) hervor.

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In dir ist was du willst
Der Himmel ist in dir / und auch der Höllen Qual:
Was du erkiest und willst / das hast du überall. 

Der Himmel ist in dir
Halt an wo läufst du hin/ der Himmel ist in dir:
Suchst du Gott anderswo/ du fehlst ihn für und für.

Nichts verlangen ist Seligkeit
Die Heilgen sind darum mit Gottes Ruh umfangen/
Und haben Seligkeit/ weil sie nach nichts verlangen.

Wie wird man Gottes gleich?
Wer Gott will gleiche sein/ muß allem ungleich werden.
Muß ledig seiner selbst/ und los sein von Beschwerden.

Gott verdammt niemand
Was klagst du über Gott? Du selbst verdammest dich:
Er möcht’ es ja nicht tun/ das glaube sicherlich. 
(aus „Der cherubinsche Wandersmann“, Angelus Silesius)

Die größte Befreiungsaktion aller Zeiten

Das hatte es bis dahin noch nicht gegeben: Ein Mensch wird zu Tode geschunden und steht nach drei Tagen von den Toten wieder auf! Aber nicht so, wie ein Scheintoter wieder ins Dasein zurückkehrt, sondern in einem physischen Leib von einer neuen Qualität! Einem Leib, der, wie der erste Leib der Menschheit, der Leib Adams, unmittelbar aus der geistigen Welt verdichtet, materialisiert wurde.

Einen Hinweis auf diesen Materialisationsprozess finden wir in der kurzen Andeutung des noli me tangere „Rühre mich nicht an“ (Jo 20,17) , als Maria Magdalena ihn offensichtlich berühren wollte. Die Dichte seines Körpers ließ das noch nicht zu. Während bei der Begegnung mit dem ungläubigen Thomas dieser sogar aufgefordert wurde, seinen Finger in die Wunden Jesu zu legen (Jo 20,24-28). Nun hatte also der neue Leib unseres HErrn die Beschaffenheit, wie wir sie von uns kennen. Aber die äußere Erscheinungsform täuschte: Dieser Leib war nicht mehr der Verwesung unterworfen. Er konnte beliebig materialisiert und dematerialisiert werden. Das Auffahren in den Himmel (Luk 24, 50-53) ist ein Dematerialisieren seines Leibes gewesen. Das Verwesliche hatte erstmals das Unverwesliche angezogen, ein Prozess, der auch im Leben eines jeden wahrhaft Gläubigen stattfinden soll (1. Kor 15,54).

„Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?…(1. Kor 15.55).

Weil wir, als Kinder Gottes – gleichen Geschlechts wie der Sohn (Hebr 2,11) – Fleisch und Blut haben, musste der Sohn auch Fleisch und Blut annehmen, um uns, die wir „durch Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte sein mußten“, erlösen zu können (Hebr. 2,15). Der Tod ist das Grundübel der Menschheit und die Gefangenschaft des menschlichen Geistes konnte nur beendet werden, indem dem Menschen gezeigt wurde, es gibt keine wirkliche Vernichtung, wie sie durch die Wahrnehmungen in der physischen Welt suggeriert wird.

Nun gibt es für den Menschen nichts mehr zu fürchten! Er kann aufatmen, tief durchatmen! Wir sind frei, absolut frei! 

Freilich müssen wir diese Tatsache in einem lebenslangem Prozess der Heiligung erst richtig verinnerlichen. Es muss uns diese Tatsache so recht deutlich werden.

Hurra, wir haben nicht länger einen sklavischen Geist, der sich vor so vielem fürchtet, sondern die Furcht kann völlig besiegt werden! (Rö 8,15). Nicht länger sind wir den Elementen dieser Welt unterworfen (Gal 4,9; Kol 2,8; Kol 2,20). Deshalb eröffnen sich uns ungeahnte Perspektiven„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird auch die Werke tun, die ich tue, und wird größere als diese tun, weil ich zum Vater gehe.“ Joh 14,12, Mark 16,18) !

Christen müssen nicht mehr irgendwelche Forderungen, von wem sie auch kommen mögen, erfüllen. Sie sind frei, ihr göttliches Leben (2. Petr 1,4) zu verwirklichen. Damit muss nicht gewartet werden, jeder kann sofort damit beginnen, der das begreift!

Wer allerdings das nicht irgendwann zu fassen vermag, wird natürlich weiterhin von Ängsten der vielfältigsten Art beherrscht bleiben und so weiter als ein Unfreier und Leidender durch die Welt gehen. Er wird der „Alte Mensch“ bleiben, auch wenn er meint, erlöst zu sein.

Wir können die Welt überwinden, weil Jesus es konnte und wir aus gleicher Quelle und Kraft leben.  „Das habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Joh 16,33)
„Denn alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt; und dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube. (1. Jo 5,4)