Kennen wir den „schmalen Weg“?

Christen wollen in der Ewigkeit bei Gott sein. Die Hölle bezeichnen sie als Gottferne. Doch weshalb will man erst nach dem Tod, mit dem, ihrer Meinung nach, die Ewigkeit beginne, bei Gott sein? Ist Gott nicht allgegenwärtig, also auch im Hier und Jetzt?

Paulus schreibt: „In ihm leben, weben und sind wir.“ (Apg 17,28). Was hindert uns also jetzt bei ihm zu sein? – Der Schlüssel liegt darin: „Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.“ (Mt 6,21). Wir lieben nur das, was uns wichtig ist. Dort sind wir mit unseren Gefühlen und Gedanken. Jeder kennt das aus den Zeiten des Verliebtseins. Liebende sind sich immer nahe, auch wenn sie geografisch getrennt sind. Sie sind sich immer Erfüllung. Nichts anderes kann diesen Platz einnehmen. Es gibt für sie kein größeres Glück. Keine Alternative. Alles dreht sich nur um dieses eine Zentrum.

Der Prüfstein unserer Liebe

Nehmen wir dagegen Judas. Er war Jesus ganz nahe – und doch so fern! Äusserlich können auch wir Gott nahe sein. Wir beschäftigen uns vielleicht täglich mit seinem Wort. Aber da ist kein Glück, keine Erfüllung. Es lässt uns kalt und unbefriedigt zurück. Wollen wir behaupten, wir seien Gott nahe? Wir müssen nur auf unsere Gefühle achten, dann wissen wir auch, was uns ganz persönlich wichtig ist. Woran denke ich gern? Woran am liebsten? Da also ist unser Herz, unser Schatz.

Worin das Leid besteht

Menschen wundern sich immer über das vielfältige Leid, das ihnen begegnet. Ja, wie sollten wir denn nicht leiden, wenn wir das Vergängliche, das Veränderliche, das Räumlich – Getrennte lieben? Entweder haben wir dann, was wir nicht haben wollen oder besitzen nicht, was wir besitzen wollen. Wir haben erlangt, was wir wollten – aber es wird uns wieder genommen. Durch solche Wechselbäder der Gefühle kann der Mensch nicht nur seelisch erkranken, sondern auch physisch. Und doch hängen wir immer weiter an Menschen und Dingen. So können wir jedenfalls keineswegs dauerhaft glücklich und heil werden. Im Gegenteil, durch die Häufung negativer Erfahrungen kommen wir der Hölle immer näher. Die Hölle ist ja, wie der Himmel, kein Ort, sondern ein seelischer Zustand. Deshalb sagt Johannes: „Habt nicht lieb die Welt, noch was in ihr ist.“ (1. Jo 2,15) Denn die Liebe zum Innerweltlichen trennt uns vom ewigen Glück, von Gott.

Der Weg zum Glück

Wir Menschen wollen nichts anderes, als dass es uns wohlgeht, dass wir glücklich sind. Das ist der einzige Grund, weshalb wir so viel Mühe auf uns nehmen. Aber es ist alles vergebliche Mühe, wenn wir das Glück nicht dort suchen, wo es zu finden ist: im Ewigen!

Nur das, was ewig ist, kann uns, da dieses allein Kontinuität besitzt, ewig glücklich machen. Und da wir außer dem Ewigen letzten Endes nichts mehr bedürfen, auch dauerhaft heil nach Geist, Seele und Leib.

Wer das begriffen hat, zieht immer mehr seine Aufmerksamkeit von den Dingen dieser Welt zurück. Er kommt aus der Zerstreuung in die Sammlung (Mt 12,30; 23,37). Aus der Betriebsamkeit in die Kontemplation und Meditation. Er verweilt gern und lange in der Stille, denn in ihr erlebt er Gott. Er hat es nicht mehr nötig, hierhin und dahin zu hetzen. Er erlebt das Heil.

Abraham Maslow, ein bedeutender Psychologe, fragte sich, was psychisch besonders gesunde Menschen auszeichne. Dabei stieß er auf eine ganz überraschende und für einen Agnostiker, wie er einer war, kaum akzeptable Tatsache. Psychisch ganz besonders gesunde Menschen tendieren zu „mystischen Erfahrungen“! Er schreibt: „Der Himmel ist überall um uns herum, steht im Prinzip immer zur Verfügung.“

Der „schmale Weg“ ist also der Weg der liebenden Vereinigung mit dem Urgrund alles Seins, den wir Gott nennen. Und wie ein Weg die Vorstellung von einem Beginn und einem Ziel beinhaltet, so beginnen tausend Schritte mit dem ersten. Dem Ziel kommen wir durch immer intensivere Liebe zum Ewigen näher.

6 Gedanken zu “Kennen wir den „schmalen Weg“?

  1. Den „schmalen Weg“ würde ich auch in erster Linie so verstehen. Das Problem des „schmalen“ ist ja, dass man leicht daneben gehen und den Weg verlieren kann. Durch Entsagung und der Unterscheidung zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen hält man sich sozusagen auf Kurs. Das ist das eine…
    Das andere ist, auf diesem Weg weiterzugehen. In diesem Sinne definiert der amerik. Psychologe Scott Peck geistige Gesundheit als „fortwährende Hingabe an die Realität um jeden Preis“.

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  2. Hallo Manfred,
    Hallo eddy,

    ich stimme euch in dem Geschriebenen vollkommen zu und die Ursache vieler Übel und vieles Leids liegen ganz bestimmt im Festhalten des Vergänglichen, des Veränderlichen. Doch gleichzeitig habe ich damit so meine Probleme. Dieses Gedankengut hat ja auch viel mit dem des Buddhismus gemein und dort war meine Kritik immer, dass diese „Religion“ sich der Welt entfremdet.

    Zugespitzt gesagt: Sich loszulösen von allem Materiellen (sinnbildlich für das Vergängliche / Veränderliche) bedeutet häufig sich loszulösen von der Welt in der wir leben. Die Gefahr besteht für mich darin, dass wir damit beginnen in einer Parallelwelt zu leben, in einer in der Umweltschutz, Politik, das Leid der anderen nicht mehr so bedeutend sind, da sie/es doch alles „vergänglich“ ist.

    Vor einiger Zeit habe ich ein Interview einer buddhistischen Mönchin gelesen, die gleichzeitig Mutter war. Sie entschied sich in frühem Alter für das Kloster und gegen ihre eigene Tochter, weil für sie nur so das Ziel dem „Nirvana“ näher zu kommen und sich von allem Vergänglichen zu lösen möglich war.

    In diesem Sinne meine Frage, wie es uns möglich bleibt diesen Spagat zu meistern?
    Wie können wir uns vom Vergänglichen lösen aber uns doch für es einsetzen, da es nach wie vor unseren Lebensraum bildet. Wie können wir uns unabhängig machen von dem teils auch durch Menschen verursachten Leid, aber gleichzeitig genau dieses Leid aus Nächstenliebe und Emphatie heraus mit ihnen tragen?

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    1. Hallo Daniel,
      zunächst Dank für Deine konstruktiven Kommentare. Ich denke, dass der „Spagat“ ganz einfach zu meistern ist. – Alle Probleme der Welt resultieren aus dem „Problem Mensch“, der sich seiner unvergänglichen Natur (und was das für ihn selbst und die Welt bedeutet) nicht bewusst ist. Der Rückzug aus der Welt (buddhistisch, christlich oder wie auch immer) bedeutet ja NICHT, dass alle Empathie und Nächstenliebe verloren gehen. Im Gegenteil, man hat DIE Lösung gefunden und dadurch steigen beide Befähigungen, da man viel mehr ertragen kann.

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