Der Hl. Geist und die Wahrheit

Alle Christen behaupten ja den Hl. Geist empfangen zu haben, auch wenn dieser „Empfang“ sich nicht als übersinnliches Geschehen manifestierte. Trotzdem herrscht unter ihnen eine Streitlust, die kaum eine Bibelstelle unangetastet lässt und oft genug dem anderen das Christsein abspricht. Das ist bei denen, die eine „besondere Salbung“ empfangen haben wollen (Pfingstler, Charismatiker usw.), nicht anders. Wenn es wahr sein sollte, dass wir den „Geist der Wahrheit“ haben, der uns in „alle Wahrheit leiten“ will (Jo 16,13), dann stellt dergleichen eigentlich eine Unmöglichkeit dar.
Wir müssen gar nicht darüber diskutieren, ob wir den Hl. Geist empfangen haben oder nicht. Der Hl. Geist kann nichts bewirken, wenn wir an der Wahrheit kein wirkliches Interesse haben. Das ist in der Regel bei den meisten Menschen der Fall.* Das ändert sich auch nicht sogleich, wenn man sich für den Glauben entschieden hat. Da kann man sogar, um vermeintliche Glaubenswahrheiten zu retten, blind gegenüber anderen Wahrheiten werden.

Wer an bestimmten Wahrheiten ein Interesse hat, wird auch immer mehr Wahrheiten erkennen, die damit in Zusammenhang stehen. Erkenntnis der Wahrheit ist kein geheimnisvolles Geschehen, sondern das einfache Zusammenschauen zweier oder mehrerer Tatbestände. Durch ein solches Vergleichen erkennt man, was sie gemeinsam haben und was sie trennt. Ein profanes Beispiel dafür: Wenn ich einen Apfel und eine Birne vor mir habe und in sie hineinbeiße, kann ich feststellen, dass sie eßbar sind, und in dieser Hinsicht etwas gemeinsam haben. Der Geschmack und das Äußere unterscheiden sie. Damit habe ich schon einige Wahrheiten erkannt. Sehe ich nun beide in der Natur, dann stelle ich fest, dass es Baumfrüchte sind. Vergleiche ich Bäume untereinander, erkenne ich, dass es davon die verschiedensten Arten gibt, usw.

Erkenntnis der Wahrheit ist etwas, das im profanen Bereich ganz natürlich geschieht. Trotzdem kann man sagen, dass die Menschen die Wahrheit nicht an sich lieben, sondern nur insoweit, wie sie zur Verfolgung persönlicher Ziele nützlich ist. Ein Börsenmakler wird deshalb viel über Finanzen wissen, von denen ein Kleingärtner gar nichts versteht, und umgekehrt.
Im christlichen Glauben aber geht es, wie in der Philosophie oder auch der Wissenschaft, um die ganz großen Fragen, nämlich das, was „die Welt im Innersten zusammenhält“ (Faust). Darüber, mit Verlaub, möchte man mit keiner Hausfrau diskutieren.

Ist nun Wahrheit demzufolge nur etwas für „große Geister“? – Ja und Nein, denn jeder große Geist hat einmal klein angefangen.

Das Grundproblem des Menschen empfindet jeder: Es ist der Tod und das Leiden. Die Bibel, als Dokument eines historischen Geschehens verweist auf eine Antwort darauf: Jesu Auferstehung. Nimmt man sie als Faktum, dann würde das mit logischer Konsequenz implizieren, dass es außer dem Materiellen Geistiges gibt, und dieses grundsätzlich übergeordnet ist.

Von diesem Geistigen, wenn es denn tatsächlich existiert, kann ich aber nicht nur aus der Bibel wissen, sondern muss ich als Mensch unmittelbare Gewißheit erlangen können. Denn ich muss im Wesentlichen gleicher Beschaffenheit wie Jesus sein, wenn für mich oder irgendeinen anderen Menschen Jesu Auferstehung eine Bedeutung haben sollte.

Da die Bibel keine Darstellung komplexer Zusammenhänge bietet, aber jede Wahrheit mit anderen Wahrheiten zusammenhängt, ist offensichtlich, dass „biblische Wahrheiten“ ihre mögliche Evidenz nur durch außerbiblische Wahrheiten erlangen können. Auch die Inhalte der Bibel sind nur „Stückwerk“. Ein „sola scriptura“ kann deshalb nur geistliche Unfruchtbarkeit bedeuten.

Nun haben wir ja heute nicht nur viele naturwissenschaftliche Wahrheiten erkannt, sonder auch eine Fülle an empirischen Daten, deren Auswertung ein recht deutliches Bild über den Zusammenhang von Geistigem und Materiellem und dem Leben nach dem Tod ergeben könnte. Alles das darf nicht, wenn man wahrhaftig sein will, zugunsten liebgewordener traditioneller Vorstellungen ignoriert oder zurechtgebogen werden.

Als Letztes: Alle Wahrheiten ergänzen und beleuchten sich gegenseitig. Unwahr ist alles was unlogisch ist.

Nicht der Glaube macht uns frei, sondern allein die Wahrheit (Jo 8,32). Deshalb ist ihr Fehlen im Leben von uns so verhängnisvoll und der christliche Glaube für viele ein Spott!

***

* „Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet. Von den Tatsachen, die ihnen missfallen, wenden sie sich ab und ziehen es vor, den Irrtum zu vergöttern, wenn er sie zu verführen vermag. Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer.“ Gustave Le Bon (1841 – 1931), franz. Arzt und Soziologe, Begründer der Massenpsychologie

10 Gedanken zu “Der Hl. Geist und die Wahrheit

  1. Ich denke ein entscheidender Punkt ist:
    Diese Wahrheit ist Jesus Christus. Und der Hl. Geist bezeugt ihn.
    “ der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird Zeugnis geben von mir.“ (Joh 15,26)

    Und an Jesus glauben ja alle christlichen Denominationen. Da also eint der Hl. Geist sehr wohl.

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    1. Meinst Du, dass es gut ist, diesen fürchterlichen geistigen Notstand auch noch zu verteidigen, anstatt Buße darüber zu tun? Mit der Trägheit des fleischlichen Menschen ist doch der Sachverhalt hinreichend geklärt.
      Da wir nichts wissen und auch nicht ernsthaft wissen wollen – denn geistige Wahrheiten liegen ja zu fern des Alltags – begnügen wir uns – da wir als Menschen gern schwatzen – Bibelstellen nach eigenen Vorlieben und Abneigungen, oder auch durch die konfessionelle Tradition unreflektiert Übernommenes an den Kopf zu werfen und auch noch zu fordern, dass der Andere das gefälligst zu glauben habe…

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      1. Es kommt ganz drauf an, zu welchem Zweck man nach Wahrheit strebt. Der Streiteslust wegen oder um sich selbst als gerecht(er) zu identifizieren, fleischlicher geht es kaum.

        Die Wahrheit im biblischen Sinn befreit und bringt Gott näher oder sie deckt auf, aber immer nur um gleichzeitig die Möglichkeit zur Veränderung mit anzubieten.

        Alles andere dagegen ist ein Biss vom lieben Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Ich lese gerade eine Zusammenfassung der Philosophie von Antike bis Gegenwart. Und oft denke ich mir, da dreht sich alles so sehr um Verstand und Erkenntnis, dass die Philosophen ganz blind für Gott werden. Da hat ein Behinderter mit Down-Syndrom, der keine Vorstellung von Erkenntnistheorie oder Wahrheitsdefinitionen weiß, mit seiner kindlich gebliebenen Seele mehr von Gott verstanden.

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      2. Ich möchte keinem Bibelleser unterstellen, dass er aus Streitlust nach der Wahrheit strebt. Ich glaube eher feststellen zu können, dass er überhaupt nicht nach der Wahrheit strebt, sondern eben nur die Bibel liest.
        Ich kann auch nicht feststellen, dass Bibelleser auffällig frei geworden sind. Wenn Du liest, wie viele Christen pornoabhängig sind (das wird in einem meiner Beiträge erwähnt), dann müsste das sehr zu denken geben.

        Wenn man Philosophen liest, dann ist man erstaunt, wie sorgfältig sie vorgehen. Ich lese jetzt zum Beispiel Kant.
        Schon allein um Freude am Philosophieren zu finden, muss man in viel stärkerem Maße von den Leidenschaften frei sein, als es die meisten Christen sind. Denn ein leidenschaftlicher Mensch hat keine Lust sich viel mit abstrakten Gedanken abzugeben. Wahrheit ist aber Gedanke. Ohne Verstand kann man auch nichts erkennen. Denn der Begriff „Verstand“ kommt daher, dass ich eben etwas kennengelernt und verstanden habe. Das Gegenteil ist Unverstand. Der hat nichts mit der Wahrheit zu tun.

        Nachdem der Mensch in den Dualismus Gut-Böse verfiel, kann er nicht einfach sagen, ab jetzt will ich blind sein. Nein, jetzt ist er verpflichtet, die Wahrheit zu erkennen, wenn es mit ihm besser werden soll.

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      3. Ich habe leider die Erfahrung gemacht, dass es das durchaus gibt. Aber nicht immer.

        Ja, Philosophen haben es sich ja auch irgendwo zur Aufgabe gemacht den Verstand über alles zu stellen. Es gibt zwar durchaus auch philosophische Richtungen, die das anders sehen. Aber die Mehrheit orientiert sich denke ich irgendwo an antiken Idealen, Platons Dualismus thront über allem.

        Ich glaube allerdings, dass Leidenschaftslosigkeit nicht zu Gott führt. Kant verband seine Philosophie noch mit einer abstrakten Gottesvorstellung. Aber je weiter man von Kant zur Gegenwart geht, je weiter entfernen sich die Philosophen von Gott.

        Der Verstand alleine kann Gott nicht erkennen. Und vielleicht liegt im Verstand sogar auch der Stolz, dass er eigentlich in Wahrheit selbst Gott sein möchte.

        Ich halte einen strikten Dualismus für grundlegend falsch. Das ist eine Vorstellung, die ihren Ursprung in griechischer Philosophie hat…nicht in der Bibel. Gerade das Alte Testament weiß was für ein körperliches Wesen der Mensch ist. Aber auch im Neuen Testament. Paulus erkannte Christus in einer Erfahrung, nicht durch sein Denken. Sein Denken hat ihn vielmehr zuvor die Christen verfolgen lassen.

        Ich denke wenn man Gott erkennen möchte, muss man damit anfangen sich als unteilbare Einheit aus Leib,Seele und Geist zu erkennen. Ein Verstandesmensch muss Frieden mit seinem Leib schließen und ein sehr körperlicher Mensch muss sich bemühen auch seinen Verstand zu benutzen. Als Einheit sind wir geschaffen. Und als Einheit werden wir von Gott gerettet. Vielleicht werden Körper, Seele und Geist von Gott umgestaltet werden, aber er schafft sie nicht ab.

        So zumindest meine Ansicht.
        Ich kann auch irren.

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      4. Merkst Du nicht, dass Du immer noch einen sündigen Zustand rechtfertigen willst?
        Ohne Verstand können wir uns nicht verständigen. Auch das Wort „verständigen“ kommt Verstand.
        Wenn man also nichts wirklich weiß, benutzt man das Wort „Glaube“ im Sinne von „Ich meine…“
        Ohne Verstand geht gar nichts. Deshalb schreibt Paulus, weil er schon damals diese Tendenz wahrnahm: „Brüder, seid nicht Kinder am Verstand, sondern an der Bosheit seid Unmündige, am Verstand aber seid Erwachsene!“ 1. Kor. 14,20
        Von Unverstand zeugt auch die Behauptung, wir seien als Einheit geschaffen. Wir wissen heute, dass sich Geist und Seele beim physischen Tod vom Leib trennen. Über die Schicksale der Seele nach dem Tod wissen wir auch einiges zu sagen.

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  2. Joh.14 usw. Sagt wie man in bekommt! Das Evg glauben wie es geschrieben steht! Dann fliessenlebendiege Ströme laut Jesus!

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  3. Vielleicht würde es gut tun, das Wort „Glaube“ etwas zu differenzieren. Einmal der rein theoretische, bibelgestützte Glaube, der hier zu Recht kritisiert wird. Andererseits aber auch ein lebendiger Glaube, der aus dem wesenhaften Christus und seiner wahrhaften Auferstehung lebt. Und für den auch Rituale wie der Empfang des Hl. Geistes Nahrung sein wollen. Lebendiger Glaube heißt, ich will dahingelangen, dass das an was ich Glaube, mir zur spürbaren Wirklichkeit werden soll. Demnach ist Christus nichts abstraktes, sondern lebendiges Sein, gewisse Gegenwart, in die ich mich zu stellen sehne.

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